Deutsche und türkische Eltern haben in der Wilhelmsschule ein Nachtessen gefeiert.

Untertürkheim - Es ist 21.20 Uhr. Die Tische in der Mensa der Wilhelmsschule sind mit allerlei Leckereien gedeckt. Datteln liegen neben schwarzen Oliven, dazu gibt es gefüllte Weinbergblätter. In einem Topf köchelt Linsensuppe. Der Duft lässt den Gästen das Wasser im Mund zusammen laufen, aber sie müssen sich noch ein paar Minuten gedulden.

 

„Heute ist um 21.32 Uhr Sonnenuntergang“, sagt Nurcan Can. Die Elternbeirätin hat seit heute früh um 3.57 Uhr nichts mehr gegessen und getrunken. Denn Nurcan Can ist Muslimin, und es ist Ramadan. Während des islamischen Fastenmonats dürfen die Gläubigen von Sonnenaufgang bis Sonnenuntergang weder Speisen noch Getränke zu sich nehmen. Sie dürfen nicht rauchen und müssen auf Sex verzichten, erklärt die Elternbeirätin. Nur Kinder bis zur Pubertät und kranke Menschen seien von diesen Regeln ausgenommen.

Doch im Ramadan geht es nicht nur um den Verzicht. „In dieser Zeit sollen auch die Beziehungen zu Freunden und Verwandten gestärkt werden“, sagt Nurcan Can. Man trifft sich nach Sonnenuntergang, um gemeinsam zu essen. Genau darum geht es auch an diesem Abend in der Wilhelmsschule. Gemeinsam mit dem türkischen Lehrer Ismail Gökten hat Nurcan Can ein traditionelles Nachtessen (Iftar) organisiert. Eingeladen sind nicht nur die muslimischen Eltern und Lehrer, sondern alle. Außerdem sind noch verschiedene Ehrengäste wie der türkische Generalkonsul Türker Ari, der Integrationsbeauftragte der Landeshauptstadt Gari Pavkovic und die Schulamtsdirektorin Ulrike Brittinger zum gemeinsamen Fastenbrechen gekommen. Der Generalkonsul betont, dass es wichtig ist, die Kultur und Religion seiner Mitmenschen zu kennen. „So können Vorurteile überwunden werden“, sagt Türker Ari. Die Schulamtsdirektorin Brittinger weist darauf hin, dass „das Fasten auch der christlichen Religion nicht fremd sei.“ Sie habe schon an verschiedenen Nachtessen im Ramadan teilgenommen. „Aber ich bin zum ersten Mal bei einem Iftar in einer Schule.“ Für viele der Eltern ist das Fastenbrechen unterdessen eine ganz neue Erfahrung. Auch wenn der Ramadan den meisten ein Begriff ist, haben sich nur die wenigsten schon einmal genauer mit dem Fastenmonat auseinandergesetzt.

Den inneren Schweinehund unter Kontrolle halten

Viele wussten vermutlich nicht, dass der Ramadan nicht immer zur gleichen Zeit beginnt, sondern jedes Jahr zehn Tage früher. Auf diese Weise hat jeder Muslim, ganz gleich in welchem Teil der Erde er lebt, mal Glück. Denn wenn der Ramadan in den Winter fällt, sind die Tage und somit auch der Zeitraum kürzer, in dem gefastet wird. Wenn die Fastenzeit hingegen – so wie in diesem Jahr – im Sommer liegt, ist es besonders hart. Seit er in Deutschland lebe, habe er nur einen Ramadan im Juni erlebt, erzählt der türkische Lehrer Ismail Gökten. Denn es dauert 33 Jahre bis der Ramadan den Jahreszyklus einmal umrundet hat. Auch das dürften nur die wenigsten nicht-muslimischen Gäste gewusst haben.

„Ich finde die Einladung toll“, schwärmt Caroline Arnold. Ihre Tochter geht in die zweite Klasse, und die Mutter freut sich, mehr über die Traditionen der muslimischen Mitschüler ihrer Tochter zu erfahren. Genauso geht es auch Gabi Gerner. Die Mutter einer Schülerin der ersten Klasse findet die Aktion toll. Das Verständnis für die anderen Kulturen sei wichtig.

Laut Nurcan Can geht es beim Ramadan darum „den inneren Schweinehund unter Kontrolle zu halten“. Wie einem das gelingt, da hat anscheinend jeder Muslim seine eigene Methode. So erklärt der Lehrer Ismail Gökten, dass es allein eine Willenssache sei. Man müsse einen Schalter im Kopf umlegen.

Die Elternbeirätin hat dagegen einen pragmatischen Tipp: „Nicht so fettiges und salziges Zeug zum Frühstück essen.“ So bekomme man zumindest den Durst in den Griff. Bis zum 8. August müssen die Muslime noch fasten, dann wird drei Tage lang das Zuckerfest gefeiert.