Ein 50 und 59 Jahre altes Paar steht vor Gericht, weil es einen alten Mann um mehr als 100 000 Euro gebracht haben soll. Das mutmaßliche Opfer ist vor wenigen Tagen gestorben.

Ludwigsburg: Susanne Mathes (mat)

Ludwigsburg - Das Opfer selbst kann nichts mehr zu den Vorwürfen sagen: Der 80 Jahre alte Mann, der zuletzt in einem Pflegeheim wohnte, ist vor wenigen Tagen gestorben. So waren am Mittwoch vor dem Ludwigsburger Schöffengericht zwei Versionen der Geschehnisse zu hören, die einander diametral entgegenstehen.

 

Die 59-jährige Frau, die mit ihrem Mann auf der Anklagebank sitzt und möglicherweise vom Verstorbenen als Alleinerbin eingesetzt wurde, stellte sich und ihren Gatten als die Einzigen dar, die dem Senior nahegestanden und ihn versorgt hätten. Die Nachbarn hingegen erklärten, die Angeklagten hätten sich bis zum 18. November 2016, als der Mann im Hof einen Schwächeanfall gehabt und von mehreren Nachbarn zu seiner Wohnung gebracht worden sei, keineswegs um ihn gekümmert. Erst da sei die Frau an seinen Hausschlüssel gekommen – und die Ereignisse um den zunehmend verwirrter werdenden Mann hätten ihren Lauf genommen.

Der alte Mann kam ins Heim, die Angeklagten kauften zwei Autos

Die Staatsanwaltschaft wirft der 59-Jährigen und ihrem 50-jährigen Mann gemeinschaftliche Untreue vor. Mittels einer Vollmacht, die der Senior der Angeklagten ausgestellt hatte – dem Notar war er geschäftsfähig erschienen – sollen sie ihn um 106 000 Euro gebracht, sich davon unter anderem einen Audi und einen Renault angeschafft sowie Festgeld angelegt haben – auf dem Konto des Angeklagten, denn seine Frau hat Privatinsolvenz angemeldet.

Dass die Staatsanwaltschaft der Sache nachging und Anklage erhob, liegt zum einen daran, dass der Kontrollbetreuer des Seniors die Polizei informiert hatte, weil er Unregelmäßigkeiten auf dem Konto des Mannes entdeckt hatte. Es liegt aber auch an den Nachbarn: Ihnen waren die Vorgänge, die sich unter dem Dach des Mehrfamilienhauses zutrugen, nicht geheuer. Sie schrieben nach Beratung mit einem Richter einen Brief mit ihren Beobachtungen an die Staatsanwaltschaft.

Die Bewohner kennen sich schon lange; sie wohnen seit Jahrzehnten im Haus. Nur das angeklagte Ehepaar ist erst vor einigen Jahren dazu gezogen. Der alleinstehende alte Mann sei immer schon ein wenig schrullig gewesen, berichteten die Nachbarn. „Er war ein schwieriger Zeitgenosse, hat oft quergeschossen, zum Beispiel in Eigentümerversammlungen“, erzählte ein Zeuge. Dennoch: Die Nachbarn trugen ihm Einkäufe hoch, hielten Schwätzchen im Hausflur und halfen ihm. Auch an dem später als „schwarzer Freitag“ bezeichneten Tag, als Haus- und Autoschlüssel im verschlossenen Wagen des Seniors lagen und er weder ins Auto noch in die Wohnung kam. Die einen holten den ADAC, die anderen schleppten den orientierungslosen, entkräfteten und verzweifelten Mann die Treppen hoch.

Die Staatsanwaltschaft will weitere Zeugen hören

Übereinstimmend sagten die Mitbewohner aus: Bis dahin habe das Ehepaar keinen Kontakt zu dem Mann gehabt. Das stellte die Angeklagte – ihr vorbestrafter Mann schwieg – in emotionalen Schilderungen anders dar. Sie habe sich um den Mann gekümmert, und er habe ihr vertraut. Alles Finanzielle sei abgesprochen gewesen. Er habe sie sogar adoptieren wollen. Sein Neffe, mit dem der Senior losen Kontakt hatte, fand entsprechende Papiere bei seinem Onkel im Pflegeheim.

Auch die Bank-Kundenberaterin des alten Mann fand nichts Verdächtiges daran, dass die mit der Vollmacht ausgestattete Angeklagte riesige Summen von seinem Konto abhob – einmal 17 500 Euro in bar. Die Angeklagte habe ihr erklärt, die Wohnung des Mannes werde verkauft und müsse vorher noch renoviert werden, sagte die Bankangestellte aus. Die Frau habe zudem gesagt, der Senior habe sie ermutigt, sich von seinem Geld „ruhig was Schönes zu gönnen“. Aus dessen Mund hatte die Bankfrau das aber nicht vernommen.

Kurz nach dem „schwarzen Freitag“ kam der Mann ins Krankenhaus, später in ein Pflegeheim. Just in diesem Zeitraum bestellten die Angeklagten eine neue Küche und kauften die beiden Autos – was die anderen Hausbewohner stutzig machte. Ihnen gegenüber sollen die Angeklagten von einem Lottogewinn gesprochen haben.

Der Prozess wird fortgesetzt: Die Staatsanwältin will noch weitere Zeugen hören.