Stuttgart - Deutschland war 40 Jahre geteilt. Das ist nun 31 Jahre vorbei – aber nicht wirklich. Das Wahlergebnis spiegelt ein gespaltenes Land. Die AfD, im Westen für die meisten unwählbar, ist im Osten für zu viele salonfähig. Man stelle sich vor, ein Viertel der Bayern oder Baden-Württemberger hätten bei der Bundestagswahl 1976 – 31 Jahre nach Kriegsende – eine rechtsextreme Partei gewählt. In Sachsen ist das so, obwohl auch die Sachsen 31 Jahre Zeit hatten, um den Unterschied zwischen demokratischem und intolerantem Denken zu verstehen.
Wo einst der Todesstreifen verlaufen ist, zieht sich eine Kluft durch die politische Kultur. Für einen Opfermythos gibt es keine materiellen Argumente mehr. Die Brüche, die viele Ostdeutsche mit der Wende zu erleiden hatten, liegen eine Generation zurück. So wie sie sich einst von der SED-Diktatur emanzipiert haben, wäre es längst an der Zeit, sich von einem verengten Blick auf die Welt, dem Unverständnis für Respekt vor Vielfalt und einem fortwährenden Minderwertigkeitskomplex zu emanzipieren. Die erste Ostkanzlerin hat schon recht, wenn sie vor einem leichtfertigen Umgang mit demokratischen Errungenschaften warnt.