Wochenlang hat die Erde im Südwesten von Island immer wieder gebebt, nun bahnt sich Lava langsam ihren Weg in Richtung Tal. Erinnerungen an den Ausbruch des Eyjafjallajökull 2010 werden wach – doch die Isländer bleiben gelassen.

Reykjavik - Auf Island ist es zu einem seit längerem erwarteten Vulkanausbruch gekommen. Die Eruption auf der Reykjanes-Halbinsel nicht weit entfernt von der Hauptstadt Reykjavik nahm am Freitagabend ihren Anfang, Lavaströme breiteten sich in der Folge aus einem Riss von einigen hundert Metern Länge aus. Spektakuläre Bilder aus der Region zeigten, wie sich der Himmel über dem nahe gelegenen Berg Fagradalsfjall rot färbte, kleine Lavafontänen durch Risse in der Erde in die Höhe spritzten und sich glühende Lavaströme langsam den Weg ins Tal Geldingadalur bahnten.

 

Trotz des dramatischen Anblicks sprachen die Behörden am Samstag von einem geringen Ausbruch, sie gingen auch nicht davon aus, dass Menschen oder die nahegelegene Ortschaft Grindavík in Gefahr sind. „Wir beobachten die Situation genau und sie wird zum jetzigen Zeitpunkt nicht als Bedrohung für umliegende Städte betrachtet“, schrieb Islands Regierungschefin Katrín Jakobsdóttir auf Twitter. Sie bat darum, sich aus der unmittelbaren Umgebung der Eruption fernzuhalten.

Keine Bedrohung für Reykjavik

„Diese Art von Ausbruch an einem Ort wie diesem verursacht in Island keine Sorge“, wurde Jakobsdóttir in einer Mitteilung ihrer Regierung zitiert. Die Eruption werde als klein betrachtet und stelle aufgrund ihrer Lage keine Bedrohung für Reykjavik, andere besiedelte Gebiete oder Infrastruktur dar.

Wie der Meteorologische Behörde Vedurstofa mitteilte, beschränkt sich der Ausbruch auf ein relativ kleines Gebiet im oberen Teil des Tals. Es sei sehr unwahrscheinlich, dass der Lavafluss Schäden verursache. Auch Ascheregen trat zunächst nicht auf.

Bei der Eruption handelt sich nicht um den klassischen Ausbruch eines zentralen einzelnen Vulkans. Vielmehr stammt die an die Erdoberfläche tretende Lava von einem unterirdischen vulkanischen System namens Krýsuvík. Dem Ausbruch haben die Isländer den Namen Geldingadalsgos gegeben. Der Eruptionsort liegt auf der Reykjanes-Halbinsel etwa 30 Kilometer entfernt von Reykjavik am südwestlichen Zipfel Islands in unbewohntem Gebiet - bis zur nächsten Ortschaft Grindavík sind es zehn Kilometer. Der letzte Ausbruch auf der Halbinsel wurde nach Regierungsangaben vor über 700 Jahren verzeichnet.

Ausstoß giftiger Gase bislang wohl niedrig

Der Zivil- und Katastrophenschutz riet dazu, Wohnhäuser im Einzugsgebiet der vulkanischen Gasschwaden nicht zu verlassen und Fenster geschlossen zu halten. Der bekannte Geophysiker Magnús Tumi Gudmundsson sagte dem Rundfunksender RÚV, der Ausstoß giftiger Gase scheine bislang niedrig zu sein. Ändere sich daran nichts, bestehe für niemanden eine Gefahr.

Wie lange sich die Eruption hinziehen könne, lässt sich laut Gudmundsson noch nicht abschätzen. „Sie könnte heute Abend zu Ende sein oder nach einem Monat. Wir sollten nicht versuchen, vorherzusagen, wann sie stoppt“, sagte der Vulkanexperte. Der Ausbruch sei ein bemerkenswertes Ereignis, sehr überraschend komme sie aber nicht.

Eine Eruption wie diese war in der Tat seit längerem in der Region erwartet worden. In den vergangenen Wochen hatte es Tausende Erdbeben auf der Reykjanes-Halbinsel gegeben, darunter Ende Februar eines der Stärke 5,7. Sie galten als Vorboten für einen vulkanischen Ausbruch, weshalb die Experten schon Anfang März vor einer bevorstehenden Eruption gewarnt hatten.

Chaos nach Ausbruch im Frühjahr 2010

Obwohl Islands Hauptflughafen Keflavik auf der Halbinsel liegt, dürfte auch der Luftverkehr nicht größer oder langfristig beeinträchtigt werden - ganz im Gegenteil zum Ausbruch des Vulkangletschers Eyjafjallajökull vor elf Jahren. Der damalige Ausbruch mit seiner folgenden kilometerhohen Aschewolke hatte im Frühjahr 2010 den internationalen Flugverkehr über Tage ins Chaos gestürzt. Der kleinen Inselnation mit ihren rund 360 000 Einwohnern hatte der Ausbruch des schwer aussprechbaren Vulkans schlagartig international zu mehr Bekanntheit verholfen.

Der Flugverkehr wurde nach dem Beginn der jetzigen Eruption nicht eingestellt. Der Flughafenbetreiber Isavia verzichtete auf ein generelles Flugverbot und ordnete nur eine Sperrzone für Drohnen im Umkreis von fünf Kilometern an. Es werde damit gerechnet, dass der Ascheregen minimal bis nicht-existent sein werde, teilte die Vedurstofa am Samstag mit.

Über den Flughafen in Keflavik kommen nahezu alle Reisenden nach Island. In der Nähe des Eruptionsorts befindet sich auch das beliebte Thermalbad Blaue Lagune, das zu den meistbesuchten Touristenattraktionen der Nordatlantik-Insel zählt.