In Waldenbuch muss in der Nacht zum Dienstag eine Anlage des Betreuten Wohnens evakuiert werden. Wasser dringt in die Wohnungen ein. Ein Feuer im Technikraum legt alles lahm. Die Feuerwehr rettet einen Bewohner mit dem Kran vom Balkon.

Waldenbuch - Braune Dreckschlieren ziehen sich durch das komplette Erdgeschoss der Seniorenwohnanlage Sonnenhof in Waldenbuch. Die weißen Vorhänge im Aufenthaltsraum haben einen schwarzbraunen Rand. Im Keller steht noch immer das Wasser. Menschenleer ist das Haus. Einsam und verlassen steht Franz Gege im Foyer. „Ich weiß nicht wohin. Es gibt keinen Strom und kein Wasser. Alle anderen sind weg.“

 

Der 68-Jährige, der mit seinem Hund ein Appartement im ersten Stock bewohnt, wartet auf einen Vertreter der Stadtverwaltung, der ihm sagt, wo er in den kommenden Tagen wohnen kann. „Heute Nacht bin ich bei Bekannten untergekommen. Aber da kann ich nicht bleiben“, sagt er voller Sorge.

Dramatische Rettungsaktion der Feuerwehr

Dramatische Szenen hatten sich in der Nacht zum Dienstag in der Seniorenwohnanlage abgespielt. Während des Unwetters gegen 21 Uhr war die Vordere Seestraße, an der das Gebäude liegt, komplett unter Wasser gestanden. Dieses drang auch in das Haus ein. Die Feuerwehr holte die Bewohner des Erdgeschosses allesamt raus. „Die Feuerwehrleute haben die alten Damen nach oben in den ersten Stock getragen“, berichtet Franz Gege. Eine Bewohnerin informierte die Hausleiterin Hildegard Lutsch. Als diese wenige Minuten später eintraf, herrschte ein Chaos. „Ich stand bis hier im Wasser“, erzählt Lutsch und deutet auf ihre Oberschenkel. Mit Badeschlappen sei sie durchs Haus gewatet und habe versucht die Angehörigen der Erdgeschossbewohner zu informieren. „Ich konnte alle unterbringen. Eine Frau, deren Verwandte ich nicht erreicht habe, konnte mit einer anderen Frau zu deren Tochter mit.“

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Noch während Hildegard Lutsch mit der Verteilung der Bewohner beschäftigt war, gab es das nächste Unglück. Die Wassermengen, die ungehindert eindrangen, beschädigten die Haustechnik, und es kam zu einem Brand im Heizungskeller. Die Feuerwehr evakuierte sofort das komplette Gebäude, 41 Bewohner mussten in Sicherheit gebracht werden. „Einen Bewohner mussten sie mit einem Kran vom Balkon holen“, berichtet Lutsch. Die Senioren wurden alle ins Feuerwehrhaus gebracht und dort von Mitarbeitern des Roten Kreuzes versorgt. „Es war alles bestens organisiert: Feldbetten, Essen, Trinken“, lobt Lutsch.

Hochwasser wie vor 50 Jahren

Auch der Bürgermeister Michael Lutz war die ganze Nacht vor Ort. Er zeigt Fotos vom Hochwasser. Autos stehen bis zu Hälfte in der Brühe. „In mehreren Tiefgaragen wurden Autos eingeschlossen“, berichtet Lutz. Froh ist er, dass in der Nacht niemand verletzt worden ist. Aber die Schäden an den Gebäuden seien erheblich. „Ich kann mich an kein Hochwasser dieser Dimension in den vergangenen 20 Jahren erinnern“, sagt er. Markierungen an der Zehntscheuer gegenüber des Altenheims zeigen, wie hoch das Wasser in den Jahren 1953 und 1968 stand – knapp einen Meter hoch. Die nasse Spur, die das Wasser in der vergangenen Nacht gezeichnet hat, ist auf derselben Höhe.

Dabei hat die Stadt Waldenbuch in den vergangnen Jahren viel in den Hochwasserschutz investiert. Zwei Regenrückhaltebecken sind gebaut worden. „Ich war heute noch nicht dort. Aber man sagt, die seien voll“, so der Bürgermeister. Doch in der Nacht zum Dienstag seien 50 Liter pro Quadratmeter in der Stunde gefallen. Die Abläufe der Bäche Aich und Seitenbach seien schnell verschlammt gewesen. „Wir haben das zwar mit dem Bagger freigeräumt. Aber innerhalb von zehn Minuten waren die Rechen wieder verstopft.“ So sei das Wasser aus dem Bach und in den Ort geschossen. „Das betreute Wohnen Sonnenhof liegt am tiefsten Punkt. Da ist alles hingeflossen.“

Furcht vor weiteren Unwettern

Froh ist Lutz darüber, dass im gegenüberliegenden Pflegeheim die Schäden geringer sind. „Dort mussten wir nicht evakuieren.“ Wasser ist allerdings auch dort in den Keller gelaufen. Unter Wasser stand auch der Keller der Konditorei Kettinger, schräg gegenüber der Seniorenwohnanlage. „Ganz knapp unterm Fenster hatten wir es“, berichtet die Angestellte Monika Wagner. „Zum Glück ist nichts in unser Café gelaufen.“

Auch andernorts hat der Sturm Spuren hinterlassen. Auf der A8 bei Rutesheim kam es wegen Wasserglätte zu einem Verkehrsunfall mit zwei Leichtverletzten und rund 30 000 Euro Schaden. In Weil der Stadt sind laut Polizei vereinzelt Bäume auf die Fahrbahn gefallen.

Am schlimmsten getroffen aber hat es Waldenbuch und dort die Wohnanlage Sonnenhof. Wie groß die Schäden sind, steht noch nicht fest. Der Bürgermeister sowie Vertreter des Eigentümers Siedlungswerk machten am Dienstagmittag eine erste Bestandsaufnahme. Bis Ende der Woche wisse man mehr, sagt Lutz. Doch er fürchtet die weiteren Unwetter, die für die kommenden Tage angesagt sind.

Hausleiterin Hildegard Lutsch rechnet mit mehreren Wochen Schließzeit. Immerhin konnte sie alle Bewohner unterbringen. Auch Franz Gege hat noch ein Plätzchen gefunden. „Der Bürgermeister hat gesagt, ich darf im Gasthof Rössle wohnen“, sagt Gege zufrieden. Und auch Hündin Pepita darf mit.