Auch der Schienenersatzverkehr fährt nicht mehr. Warum es dann niemanden gebe, der den etwa 40 Wartenden am Busbahnhof Bescheid gebe, frage ich, denn die Anzeigentafel am Bahnhof verweist immer noch auf den Bus. Der Mann am anderen Ende der Leitung wird leicht ungehalten: „Ich habe niemanden da, die meisten sind schon im Feierabend. Soll ich die etwa wieder zurückholen?“ Dann würden die Fahrpreise weiter steigen.

 

Es kommt ein Vorschlag zur Güte vom VVS-Mann: Wer nach Ehningen, Gärtringen oder gar Herrenberg wolle, müsse von Vaihingen aus zur Schwabstraße fahren, von dort die S6 bis nach Renningen nehmen, dort umsteigen in die S 60 bis Böblingen, um dann wieder wie gewohnt weiter mit der S 1 fahren zu können. Mit anderen Worten: Man muss einmal fast das komplette Schienennetz in falscher Richtung durchfahren, um am Ende drei Stationen auf seiner Stammstrecke gut gemacht zu haben. Das sei der große Vorteil des Ringschlusses, meint der Mann am Telefon. „Sonst müssten Sie jetzt die Nacht in Vaihingen verbringen“, preist er die Route.

Drei Stunden auf die Bahn gewartet

20:43 Uhr – Von der Schwabstraße aus geht es weiter mit der S6 in Richtung Weil der Stadt. Ein älteres Ehepaar hat nach eigenen Angaben drei Stunden auf die Bahn gewartet und vergeblich ein Zeichen auf der Anzeigentafel gesucht – bis es von einer jungen Frau darauf hingewiesen wurde, dass die S6 nur auf dem anderen Gleis verkehre. Aber wer kann den Rentnern den Fehler verübeln – eigentlich wollen sie ja in die andere Richtung.

In der Haltestelle Stadtmitte steigen eine Frau und ein junger Mann ein. Auch sie wollen nach Böblingen. Der Mann hat etwas, was jetzt den Unterschied zwischen Ankommen und Hängenbleiben ausmacht: ein Smartphone mit Internet. Damit vergleicht er VVS-App und Bahn-App und entdeckt eine alternative Route: Statt einmal im Kreis könne man auch mit dem Regionalexpress um 21:18 Uhr vom Hauptbahnhof direkt nach Böblingen fahren. Das würde 20 Minuten Zeit sparen.

Kein Zug, keine Informationen

Heute aber ist es anders. Kein weißes Band, keine Züge, nur der Hinweis, dass zwischen Vaihingen und Böblingen keine Bahnen fahren und stattdessen ein Schienenersatzverkehr eingerichtet wurde. Einen Steinwurf entfernt am Vaihinger Busbahnhof quetschen sich die Menschen in den Linienbus nach Sindelfingen (19.15). Der Busfahrer weist darauf hin, dass der Schienenersatzbus noch komme, er wisse nur nicht, wann.

20.15 Uhr - Während der vergangenen Stunde hat ein Ersatzbus nach dem anderen Pendler eingeladen – für den Schienenersatzverkehr nach Heslach, der funktioniert nämlich, denn hier handelt es sich um eine geplante Baustelle, nicht um ein unvermittelt hereingebrochenes Dauergewitter. Ein Anruf bei der VVS-Fahrplanauskunft ergibt, dass es wohl noch drei Stunden dauern werde, bis die S-Bahnen wieder fahren können. Der Tunnel zwischen Rohr und Goldberg ist überschwemmt, nichts geht mehr.

„Dann würden die Fahrpreise weiter steigen“

Auch der Schienenersatzverkehr fährt nicht mehr. Warum es dann niemanden gebe, der den etwa 40 Wartenden am Busbahnhof Bescheid gebe, frage ich, denn die Anzeigentafel am Bahnhof verweist immer noch auf den Bus. Der Mann am anderen Ende der Leitung wird leicht ungehalten: „Ich habe niemanden da, die meisten sind schon im Feierabend. Soll ich die etwa wieder zurückholen?“ Dann würden die Fahrpreise weiter steigen.

Es kommt ein Vorschlag zur Güte vom VVS-Mann: Wer nach Ehningen, Gärtringen oder gar Herrenberg wolle, müsse von Vaihingen aus zur Schwabstraße fahren, von dort die S6 bis nach Renningen nehmen, dort umsteigen in die S 60 bis Böblingen, um dann wieder wie gewohnt weiter mit der S 1 fahren zu können. Mit anderen Worten: Man muss einmal fast das komplette Schienennetz in falscher Richtung durchfahren, um am Ende drei Stationen auf seiner Stammstrecke gut gemacht zu haben. Das sei der große Vorteil des Ringschlusses, meint der Mann am Telefon. „Sonst müssten Sie jetzt die Nacht in Vaihingen verbringen“, preist er die Route.

Drei Stunden auf die Bahn gewartet

20:43 Uhr – Von der Schwabstraße aus geht es weiter mit der S6 in Richtung Weil der Stadt. Ein älteres Ehepaar hat nach eigenen Angaben drei Stunden auf die Bahn gewartet und vergeblich ein Zeichen auf der Anzeigentafel gesucht – bis es von einer jungen Frau darauf hingewiesen wurde, dass die S6 nur auf dem anderen Gleis verkehre. Aber wer kann den Rentnern den Fehler verübeln – eigentlich wollen sie ja in die andere Richtung.

In der Haltestelle Stadtmitte steigen eine Frau und ein junger Mann ein. Auch sie wollen nach Böblingen. Der Mann hat etwas, was jetzt den Unterschied zwischen Ankommen und Hängenbleiben ausmacht: ein Smartphone mit Internet. Damit vergleicht er VVS-App und Bahn-App und entdeckt eine alternative Route: Statt einmal im Kreis könne man auch mit dem Regionalexpress um 21:18 Uhr vom Hauptbahnhof direkt nach Böblingen fahren. Das würde 20 Minuten Zeit sparen.

Das sehen auch ein junger Unternehmensberater und der Zeitungsvolontär ein und schließen sich an. Also am Nordbahnhof aussteigen, zurück fahren, am Hauptbahnhof die Durchsage hören, dass S 1-Reisende doch bitte den besagten Regionalexpress auf Gleis 5 nehmen sollen, die Treppen hoch, vorbei an den vereinzelten Stuttgart 21-Gegnern (Montagsdemo!) und der Polizeiabsperrung vor den Gleisen, nur um dann an der Anzeigentafel etwas allzu bekanntes zu sehen: das weiße Band.

„Grund dafür ist ... ein Unwetter

21.13 Uhr – „Zug unbestimmt verspätet“, steht darauf. Kurz darauf sind es 20 Minuten Verspätung, einen Augenblick später 45. Die Durchsage macht nochmal allen klar: „Grund dafür ist“, und hier gönnt sich der Durchsager eine kleine Kunstpause – „ein Unwetter“. Wer hätte das gedacht? Wäre man nachher doch besser dran gewesen, wenn man mit den S-Bahnen im Kreis gesprungen wäre? „Das ist ein Pokerspiel“, meint der Unternehmensberater. Er ist gerade von Stuttgart weggezogen, es ist sein erster Tag als Pendler.

Die Gruppe einigt sich darauf, ein Taxi nach Böblingen zu nehmen. 40 Euro kostet die Fahrt, die von der VVS nicht übernommen wird. Höhere Gewalt. Und außerdem bestand ja die Möglichkeit, nach Böblingen zu kommen, irgendwie. Der Taxifahrer freut sich jedenfalls über das Bahnchaos: „Heute haben wir Hochkonjunktur.“

Sie sind in der Bahn, Applaus!

21.50 Uhr – Als das Taxi in Böblingen hält, steht die S 1 nach Herrenberg schon da. In letzter Minute erreichen der Unternehmensberater und ich am Böblinger Bahnhof unsere S-Bahn. Als sie losfährt, klatschen einige jugendliche Fahrgäste. Ein Mann mit rotem Polohemd erzählt, dass er mit dem Regionalexpress um 20.18 Uhr hierhergekommen sei – also eine Stunde vor dem Zug, den wir nehmen wollten. Der ist immer noch nicht am Hauptbahnhof angekommen. Auch für den Mann im Polohemd war die Fahrt anstrengend, sein Zug hat in Sindelfingen 15 Minuten gehalten „und zwar nicht auf dem Bahnsteig, sondern ein bisschen dahinter, so dass niemand aussteigen konnte“. Viele Fahrgäste sind müde, nur wenige unterhalten sich, dann aber natürlich über die Züge und das Wetterchaos. Die Bahn verbindet - auch beim Warten.

21.55 Uhr - In Ehningen muss ich aussteigen, ich verabschiede mich von dem Unternehmensberater, dessen Pendlerleben gerade erst begonnen hat. Er wird das berüchtigte weiße Band also noch sehr oft sehen.

Philipp Obergassners Text hat viele Reaktionen unserer Leser hervorgerufen. Eine kuratierte Auswahl haben wir hier zusammengestellt.