Barren, Pauschenpferde und Turnkästen werden ständig ausrangiert. Andreas Gröbel rettet die Geräte vor dem Müll und baut sie zu Möbeln um. Mit Upcycling, dem Aufwerten von Müll, lässt sich aber noch nicht viel Geld verdienen.

Friedrichstal - Andreas Gröbel öffnet das Tor seiner 900 Quadratmeter großen Lagerhalle in Friedrichstal bei Karlsruhe. Dahinter verbergen sich unzählige Turngeräte. Turnen soll daran aber niemand mehr, denn der 50-Jährige baut in dem Unternehmen „Zur schönen Linde“ die ausgedienten Geräte zu Möbeln um. Anders als beim Recycling, wo es hauptsächlich um die Wiederverwendbarkeit des Abfalls geht, steigert er damit sogar den Wert der Materialien. Sonst würden die Turngeräte dem Müll zugeführt. Für diesen Prozess hat sich mit dem Wort „Upcycling“ auch schon ein fester Begriff eingebürgert.

 

Deutschlandweit kauft Gröbel die vom Tüv ausrangierten Turngeräte von Kommunen und Schulen. „Wenn ich mal einen Container mit alten Geräten finde, ist das großes Glück.“ Dann macht er aus einer Sprossenwand einen Raumteiler, aus dem Pauschenpferd eine Bar und Kästen werden zu geräumigen Schränken, manchmal auch mit Schubladen.

Mit Upcycling wagte Gröbel einen Neuanfang

Seit 2009 betreibt Gröbel das Ein-Mann-Unternehmen. Zuvor war der Dekorateur und Schlosser im Veranstaltungsbau tätig. „Da wurde gebaut und danach wurden wahnsinnige Mengen weggeworfen“, kritisiert er. 2007 war er dann am Ende. Diese Zeit nennt Gröbel „Lebensbruch“. Ein Neuanfang war notwendig und so kaufte er 24 Paletten mit alten Industrieschränken. Diese hätten ihm eine erste Ordnung zurückgegeben, sagt er.

Upcycling war für Andreas Gröbel von Beginn an wichtig. „Ich kann das Gesamtproblem nicht lösen, aber ich kann es für mich anders machen“, erklärt er. Die Wegwerfgesellschaft ist ihm zufolge nicht gesund. Daher ist er sich sicher: „Es ist einfach unnötig, dass diese Geräte in den Müll kommen.“ Es sind so viele Geräte, dass Gröbel zum Teil schon den Überblick in seinem Lager verloren hat. „Ich bin das größte Auffangbecken für Turngeräte in Deutschland“, sagt er. Die Anzahl seines Rohmaterials kann er nur schätzen: 50 bis 70 Pferde, 100 Böcke und 20 bis 30 Sprossenwände. Bei den Kästen muss er passen – vielleicht sind es 40.

Bei aller Liebe zu den Geräten und dem Eifer, sie vor der Tonne zu retten, muss Gröbel ein profitables Geschäft führen. Mit Upcycling scheint das nicht leicht zu sein. „Die, die es machen, treibt nicht das Geld an. Da geht es nicht um Stückzahlen und Gewinne“, sagt er. Trotzdem ist der Unternehmer auf Gewinne angewiesen. Er nennt dies seinen „Überlebenskampf“.

Produkte werden auch im Einzelhandel verkauft

Das Berliner Unternehmen Upcycling Deluxe geht einen etwas anderen Weg als der Einzelkämpfer Andreas Gröbel und steht damit finanziell auf größeren Füßen. Drei Jahre lang verkaufte es Produkte aus vermeintlichem Müll bei Messen, Festivals und Weihnachtsmärkten. Im April 2013 eröffneten die Berliner einen Laden in der Hauptstadt, wenige Monate später folgte ein Online-Shop. Dabei vertreibt Upcycling Deluxe nicht nur eigene Produkte wie Mützen aus Kaffeesäcken, sondern bietet auch Artikel von 50 weiteren Designern an.

„Wir haben unseren Umsatz jedes Jahr verdoppelt“, sagt Mitgründer Stefan Korn. Im vergangenen Jahr hat das Unternehmen durch die Verkäufe die Millionengrenze überschritten. Damit sehen sich die Berliner an der Spitze der Branche.

In Südostasien entdeckten die Upcycler den Trend

Für Korn gibt es für diesen Erfolg zwei Gründe. Einerseits wachse das Interesse der Verbraucher an Upcycling-Produkten stetig. „Sie werden immer bekannter und wir müssen den Trend viel seltener erklären“, beschreibt der Mitgründer die Entwicklung. Besonders als Geschenk würden sich die Produkte laut Korn eignen. „Hinter jedem steckt einfach eine Geschichte“, sagt er. Andererseits verkauft Upcycling Deluxe die Produkte nun über den Großhandel an den Einzelhandel. So wandern die Verkaufsstücke europaweit in Design- und Hutläden. „Upcycling ist in der normalen Modebranche angekommen“, erläutert Stefan Korn.

An Taschen aus Schallplatten, Schlüsselbretter aus alten Büchern oder Uhren aus Ölfässern müssen sich die Kunden aber erst noch gewöhnen. Bei Reisen nach Südostasien entdeckten die Gründer von Upcycling Deluxe den Trend. Danach begannen sie, die ausländischen Produkte mit der Hilfe nichtstaatlicher Organisationen in Deutschland zu verkaufen.

Erst später fingen auch europäische Designer damit an, Upcycling zu betreiben und die Produkte über den Onlineshop zu vertreiben. Beim Berliner Unternehmen soll es in Zukunft noch mehr Vielfalt geben. „Wir haben eine lange Liste mit Designstücken, die wir gerne noch in unser Sortiment aufnehmen würden“, sagt Korn. Zurzeit fehlen allerdings noch die Kapazitäten.

Die Produkte sind teuer, aber nicht von der Stange

Zum Massenprodukt werden die Unikate so schnell nicht. Das liegt wohl auch an den Preisen. Eine Tasche kostet schnell mehr als 100 Euro, für einen Gürtel bezahlt der Kunde zwischen 40 und 50 Euro und auch für die Hüte muss der Verbraucher mit 55 Euro rechnen. Auch Möbeldesigner Andreas Gröbel wird häufig darauf angesprochen. „Es ist hochpreisig, aber es ist nicht von der Stange“, sagt er. Bei ihm kostet eine Sitzbank aus einem Pauschenpferd rund 1600 Euro, ein Kastenschrank liegt bei 3600 Euro. Ursprünglich bezahlt Gröbel 300 bis 400 Euro für ein Pauschenpferd. Doch das Einsammeln, Lagern und insbesondere die Handarbeit kostet, erläutert Gröbel das Zustandekommen des Endpreises. In erster Linie produziere er für Liebhaber.

Er ist auch einer der Liebhaberei: „Ich habe kürzlich 300 Quadratmeter Turnparkett eingekauft“, erzählt er stolz. Was er daraus machen wird, weiß der 50-Jährige noch nicht. Notfalls könnte er es zu Tischplatten zersägen. Aber vielleicht will jemand das Parkett in seinem Wohnzimmer verlegen lassen, hofft er. „Da würde das Holz seinen Charme am besten entfalten.“