Zu den Salzburger Festspielen ist Peter Handkes neues Stück „Zdenek Adamec“ herausgekommen. Das Publikum hat es respektvoll bejubelt.

Salzburg - Alle Schlachten sind geschlagen. Als Peter Handke, langjähriges „Enfant terrible“ der deutschsprachigen Literaturszene, am Ende dieser respektvoll gefeierten Uraufführung bei den Salzburger Festspielen auf der Bühne erscheint, umspielt ein ironisch-mildes Lächeln seine zerfurchten Züge. Wie ein alter General schreitet er die Reihe der Mitwirkenden ab, umarmt diesen, herzt jene, knufft wieder diesen, tätschelt Wangen.  

 

Kaum Protest gegen den umstrittenen Autor

Eine Prise Skandal lag in der Luft vor der sonntäglichen Premiere von „Zdenek Adamec“, so heißt das neueste Werk des Literaturnobelpreisträgers. Darin geht es um einen jungen Tschechen, der sich 2003 auf dem Prager Wenzelsplatz mit Benzin übergoss und selbst verbrannte, als angebliches Fanal gegen die Herrschaft von Macht und Geld im postsozialistischen Kapitalismus. Die „Mütter von Srebrenica“ hatten Proteste gegen Handke angekündigt. Doch am Sonntagabend blieb alles ruhig vor dem Salzburger Landestheater. Nur ein wildes Plakat fiel manchen Passanten ins Auge: „Warum so wenig Resonanz auf Peter Handkes konsequente Völkermordleugnung?“ – Handke hatte sich im Jugoslawienkonflikt stark mit Serbien solidarisiert und nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen bagatellisiert. 

„Zdenek Adamec“ ist ein knapp zweistündiges Gespräch von sieben Männern und Frauen unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft über Adamecs Tat im Besonderen und das „Sich selbst Abschaffen“ im Allgemeinen, eine Reflexion, ein ständiges Hinterfragen bis auf den Grund der Textstruktur, durchzogen von Altersweisheit, die nur selten in Altherrenlarmoyanz umschlägt.

Handke kommt seinem Protagonisten nicht auf den Grund

Handke selbst hatte eifrig recherchiert im Heimatort seines Protagonisten, Humpolec, von wo aus dieser mit dem Bus ins nahe Prag gefahren war. Der Autor versucht, dem Leben dieses Mannes und seinen Motiven nachzuspüren. War die Tat vergleichbar mit der Selbstverbrennung Jan Palachs bei der Niederschlagung des Prager Frühlings durch Truppen des Warschauer Paktes? Oder war sie die Tat eines Kranken, eines weltverloren-neurotischen Computerfans und Hackers? Zu einem Ergebnis kommt Handke nicht.

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In gewisser Weise zeitaktuell-politisch wird sein Text, wenn er die Lust am Weltuntergang und der von manchen offenbar ersehnten Apokalypse aufs Korn nimmt, die gerade in den Zeiten von Klimawandel und Corona-Pandemie mächtig grassiert. „Jedenfalls: Bei jedem kleinen oder großen Weltuntergang wachsen mir Flügel. Ich denke sogar heimlich bei mir: So ist das Leben. Recht so. Endlich ernst. Endlich die Welt schleierlos“, sagt eine junge, lebenslustige Protagonistin, dargestellt von Luisa-Céline Gaffron. Zum Ensemble zählen auch der großartige Hanns Zischler und Handkes Ehefrau Sophie Semin, die mit ihrem sympathischen französischen Akzent ein Ruhepol des Abends ist.

Leider läuft die junge, ambitionierte Regisseurin Friederike Heller streckenweise Gefahr, das Stück zu überinszenieren, gleitet manchmal ins Kitschige ab – etwa wenn sie zur Schilderung von Adamecs Flammentod einen Bach-Choral spielen und Schneeflocken auf die Bühne regnen lässt, die von Bühnenbildnerin Sabine Kohlstedt mit Stahlgerüsten in Form stilisierter gotischer Spitzbögen ausstaffiert wurde. Angesichts der poetischen Kraft des Textes wäre weniger oft mehr gewesen.