Eine Anwohnerin beobachtet Bewaffnete auf der Straße. Deren Gewehre stellen sich als Soft-Air-Waffen heraus, doch der Einsatz hätte böse enden können.

Urbach - Junge Menschen mit Waffen, die durch die Stadt laufen und das Feuer eröffnen – dieses Bild hat sich durch den Amoklauf von München in den vergangenen Tagen tief ins Gedächtnis der Nation eingebrannt. Eine Anwohnerin der Beckengasse in Urbach bekam daher einen Riesenschreck, als sie am späten Donnerstagabend gegen 23.15 Uhr zwei junge Männer mit Gewehren durch die Straße laufen sah, die laut der Polizei um sich schossen.

 

Polizisten steigen mit der Hand an der Waffe aus

Sofort nach dem Eingang des Notrufs fuhren zwei Streifenwagen des Schorndorfer Polizeireviers los. Sie entdeckten zwei Jugendliche im Alter von 16 und 17 Jahren in der Beckengasse. Die beiden hielten Waffen in der Hand – dem Anschein nach G-36-Sturmgewehre, wie sie als Standardwaffe bei der Bundeswehr verwendet werden. Die Läufe hatten die Jugendlichen auf den Boden gerichtet. Mit den Händen an ihren Dienstpistolen stiegen die Polizeibeamten aus und forderten das Duo auf, die Waffen abzulegen und die Hände zu heben. Die Jugendlichen gehorchten. „Nur dem besonnenen Einschreiten der Beamten und der Tatsache, dass die Jugendlichen ihren Aufforderungen sofort Folge leisten, ist es zu verdanken, dass nichts Schlimmeres passierte“, schätzt der Polizeisprecher Holger Bienert die Situation ein. „Die Tatsache, dass die Kollegen sich nicht mit gezogenen Waffen genähert haben, zeigt für mich aber, dass die Lage für sie noch kalkulierbar war.“

Die Polizisten stellten fest, dass es sich bei den Waffen nicht um scharfe Sturmgewehre, sondern um Spielzeuge aus Plastik handelte – wenn auch um täuschend echte Nachbildungen der echten Heckler-und-Koch-Waffen. Mit sogenannten Soft-Airs (siehe „Martialisches Spielzeug“) können durch Luftdruck kleine Plastikkugeln verschossen werden. „Diese Anscheinswaffen sind schon bei Tageslicht nur schwer von echten Waffen zu unterscheiden – ganz zu schweigen von Situationen wie dieser, im Dunkeln“, so der Polizeisprecher. Zur Faschingszeit rechne man als Polizist schon eher mit Personen mit echt aussehenden Spielzeugwaffen – „aber nicht mitten im Sommer“. Die Spielzeuggewehre der beiden Jugendlichen wurden beschlagnahmt, sie werden jetzt kriminaltechnisch untersucht. Denn ihre Schussenergie ist entscheidend dafür, welches Delikt den beiden jungen Männern jetzt zur Last gelegt wird.

Bei einem anderen Einsatz fielen Schüsse

Was dem Polizeisprecher Bienert zu denken gibt: Die 16- und 17-jährigen Ertappten gaben sich laut der Darstellung seiner Kollegen nicht reumütig, sondern hätten die Tatsache, dass sie einen Polizeieinsatz ausgelöst hatten, lustig gefunden. Ihre Eltern hätten sich aber „bestürzt und einsichtig“ gezeigt.

Die Polizei bittet Eltern, ihren Sprösslingen den Wunsch nach einer echt aussehenden Spielzeugwaffe nicht zu erfüllen. „Zumindest sollten sie, vor allem in Anbetracht der jüngsten Vorkommnisse in Deutschland, dafür Sorge tragen, dass solche Waffen grundsätzlich nicht in der Öffentlichkeit geführt werden“, schreibt das Polizeipräsidium Aalen in einer Mitteilung.

Dass ein Polizeieinsatz wie der in Urbach auch böse enden kann, zeigt der Fall eines 34-Jährigen, der im Februar 2015 in Untertürkheim von Polizeischüssen schwer verletzt worden war. Alles deutete darauf hin, dass der Mann es darauf angelegt hatte, getötet zu werden. Erst einen Monat zuvor war ein Einsatz in Weinstadt glimpflich ausgegangen: Zwei vermummte Jugendliche hatten mit Soft-Air-Maschinenpistolen gespielt und sich eine Verfolgungsjagd mit der Polizei geliefert. Im Februar dieses Jahres löste ein Mann mit Soft-Air-Waffe in Gerlingen einen Polizeieinsatz aus.

Martialisches Spielzeug

Soft-Air-Waffen
werden auch Airsoft-Guns genannt. Sie verschießen Plastikkugeln per Luft-, Gas- oder Federdruck. Softairs sind in Deutschland legal erhältlich – zumindest, wenn ihre Schussenergie weniger als 0,5 Joule beträgt. Bei einer Schussenergie zwischen 0,5 und 7,5 Joule müssen Käufer 18 Jahre alt sein.

Strafe Das Führen von echt aussehenden Soft-Airs in der Öffentlichkeit ist eine Ordnungswidrigkeit und kann mit einer Geldbuße von bis zu 10 000 Euro geahndet werden. Sollte sich herausstellen, dass die beiden Jugendlichen in Urbach Softairs benutzt haben, für die sie volljährig sein müssten, wäre dies eine Straftat.)