Das Landratsamt und der Landesbetrieb Forst-BW wollen den steigenden Unfallzahlen bei der Holzernte mit einem neuen Aktionsprogramm begegnen. Ein Sicherheitscoach, aber auch Ausgleichsgymnastik für Waldarbeiter gehören dazu.

Rems-Murr : Frank Rodenhausen (fro)

Urbach - Mit einem schrillen Kreischen setzt die Motorsäge zum finalen Schnitt an, es knackt, und der Baumstamm entlädt explosionsartig seine Spannung. Ein in unmittelbarer Nähe des gut sechs Meter langen Gehölzes platzierter Fußball saust samt seiner Sandsackstütze in das Dickicht, als hätten Ronaldo und Messi gemeinsam ihre Füße im Spiel gehabt. „Wäre der Kollege auf dieser Seite gestanden, so wäre er jetzt tot“, resümiert Günther Schaal trocken. Zumindest der Brustkorb und die Leber des Waldarbeiters wären seiner Ansicht nach vollständig zerschmettert worden. Der Ausbildungsleiter am Stützpunkt des Staatlichen Forstes im Wald bei Urbach ist ein erfahrener Mann. Demonstrationen wie diese gehören bei ihm aus gutem Grund zum Lehrprogramm seiner Azubis.

 

„Die Risiken bei der Forstarbeit werden leider mitunter unterschätzt“, sagt sein Chef, der Stützpunktleiter Volker Speidel. Dabei seien Verletzungen durch Motorsägen, Stürze, herabfallende Äste oder eben zurückfedernde Äste keine Seltenheit. Zwei Drittel aller Unfälle ereigneten sich bei der Holzernte, erläutert der stellvertretende Leiter des Geschäftsbereichs Forst im Landratsamt, Hermann Riebel. Im Schnitt würden pro Jahr sieben Waldarbeiter im Bereich des Staatswaldes auf Rems-Murr-Gemarkung verletzt. Bei zurzeit knapp 40 Beschäftigten in diesem Bereich ist das eine Quote von 15 Prozent. Hinzu kämen eher banale, aber bisweilen auch folgenschwere Dinge wie Zeckenbisse. „Der Job des Waldarbeiters“, sagt Volker Speidel, „ist einer der schönsten, aber auch einer der gefährlichsten überhaupt.“

Letzteres hat auch das seit zehn Jahren für den Staatlichen Forst im Rems-Murr-Kreis zuständige Landratsamt erkannt. Die Behörde will den – nicht nur im Kreis, sondern auch landesweit – Besorgnis erregend angestiegenen Unfallzahlen mit einem neuen Arbeitssicherheitskonzept begegnen. Der Ausgangspunkt für das Aktionsprogramm ist eine im Januar unterzeichnete Grundsatzvereinbarung zwischen dem Landkreis und dem Landesbetrieb Forst-BW, in welcher der Arbeits- und Gesundheitsschutz als Betriebsziele fest verankert worden sind.

Das Aktionsprogramm umfasst unter anderem verpflichtende Regeln für die Aus- und Weiterbildung der Führungskräfte, aber auch jedes einzelnen Forstwirts. Neu und ein wesentlicher Bestandteil des des Konzepts ist darüber hinaus die Einführung eines sogenannten Sicherheitscoachs, eines erfahrenen Forstwirtschaftsmeisters, der die Waldarbeiter dreimal im Jahr für mehrere Tage begleitet und in der jeweiligen Gruppe auch mitarbeitet, um riskante Arbeitsroutinen zu erkennen. Noch in der Konzeptionsphase ist zudem die Etablierung einer professionell angeleiteten regelmäßigen Ausgleichsgymnastik, durch welche die körperliche Fitness und die Beweglichkeit der Waldarbeiter gestärkt werden soll.

„Wir haben die Sicherheit unserer Waldarbeiter jetzt noch mehr denn je auf unserer Agenda“, betonte der Landrat Johannes Fuchs, der sich bei der Gefahrensimulation im Urbacher Forststützpunkt am Mittwoch ein eigenes Bild machte. Als privater Kleinwaldbesitzer und nach einem Kettensägenkurs am Forststützpunkt wisse er selbst, was für die Arbeit im Wald gelten müsse: „Die Sorgfalt und der Respekt vor den Risiken sind das oberste Gebot.“

Jeder sechste Waldarbeiter wird verletzt

Waldbewirtschaftung
Der Staatswald des Rems-Murr-Kreises umfasst rund 15 500 Hektar. Er wird von 39 ausgebildeten Waldfacharbeitern bewirtschaftet, sechs davon sind Forstwirtschaftsmeister. Vor zehn Jahren waren es noch 51 Beschäftigte. Unfallzahlen
In den vergangenen zehn Jahren haben sich im heimischen Staatswald zwischen drei und 14 Unfälle ereignet. Statistisch gesehen war also fast jeder sechste Beschäftigte betroffen. Im vergangenen Jahr wurden 142 Ausfalltage registriert. Unfallursachen
Zwei Drittel aller Arbeitsunfälle im Wald passieren bei der Holzernte, also beim Fällen und Einschneiden der Bäume. Häufige Unfallursachen sind herabfallende Äste oder Baumkronen, Stürze oder das Zurückschlagen der Motorsäge.