Chris Ganter alias Jeroo ist ein Urgestein der Stuttgarter Graffiti-Szene. Er hat uns erzählt, wie er zum Sprühen gekommen ist – und wo man seine Kunstwerke im Stadtgebiet überall finden kann.

Stuttgart - Ein 20-Jahr-Jubiläum zu begehen, ist nicht so außergewöhnlich – es sei denn, der Jubilar selbst ist erst 32. So ist das bei Chris Ganter, der mit gerade mal zwölf Jahren der Faszination Graffiti erlegen ist und seither sprüht sooft es nur geht. Angefangen hat es mit einem Graffiti-Projekt an seiner Schule. Heute leitet der Lehrer für Sport und Englisch am Fanny-Leicht-Gymnasium in Vaihingen selbst eine Graffiti-AG. Im September erscheint sein eigenes Lehrbuch zum Thema Graffiti, das für Lehrer, Sprayer und Autodidakten, wie Ganter selbst einer ist, hilfreiche Tipps zur Kunst mit der Sprühdose gibt.

 

Seine farbigen Spuren, Buchstaben meist in deformierten Proportionen und übertriebenen Verzerrungen, finden sich im Stadtgebiet auf EnBW-Gebäuden im Stuttgarter Westen am Vogelsang oder an der Talstraße im Osten. In Bonlanden hat er auf Wunsch einer Eigentümerin deren Haus bemalt und in Leinfelden hat ihm die Stadt eine Wand überlassen, die er jederzeit besprühen darf.

Alle Kunstwerke sind legal

Ganters Kunstwerke sind alle legal. Diesen Vorsatz hat er schon früh gefasst, und das nicht grundlos. „Als Teenager bin ich von der Polizei erwischt worden“, erzählt er, „zuhause habe ich dafür starke Worte zu hören bekommen.“ Weil er sich selbst nicht die Zukunft verbauen wollte, war das illegale Sprühen schnell wieder beendet. Bis er einen Führerschein besaß, musste seine Mutter ihn ständig nach Sindelfingen zur nächsten legalen Wand fahren. Mit dem eigenen Auto kam dann die Mobilität. Und ab diesem Zeitpunkt war Chris Ganter viel unterwegs. Zunächst in der Region, dann Deutschland, dann rund um den Globus. „Mittlerweile habe ich auf vier Kontinenten gesprüht“, sagt er.

An Brasilien erinnert er sich besonders gern zurück. „Die Leute finden es toll, wenn die Wände besprüht werden“, sagt er, „das wird als Veredelung einer Wand angesehen.“ Auf mancher Wand von Hotels hat er dort seinen künstlerischen Abdruck hinterlassen. „Dafür durfte ich umsonst übernachten, essen und trinken.“ Seine Kunst, so hat er den Eindruck, komme im Ausland generell besser an. Mit Stuttgart ist er, wenn es um Graffiti geht, am Hadern. „Jede halb so große Stadt hat mehr legale Flächen“, sagt er und verweist beispielsweise auf Freiburg oder auch Konstanz, wo er studiert hat. In Stuttgart gibt es nach wie vor nur die Hall of Fame in Bad Cannstatt. „Für die Kunst-Graffiti-Szene wird nicht viel gemacht“, sagt er. Wobei er hinzufügt, dass sich die EnBW offen für die gemeinsame Sache zeigt. „Andere Unternehmen sind an hochklassigen Graffiti nicht interessiert, egal wie hässlich das Gebäude ist“, so Ganter. Dennoch gibt er die Hoffnung nicht auf, spricht mit der Stadt, Hauseigentümern und Firmen. „Momentan bin ich auf der Suche nach Wänden, die ich privat nutzen kann, so wie in Leinfelden“, sagt er.

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Die Leinwand immer griffbereit

Andere Wände, nämlich Leinwände, hat er immer griffbereit zu Hause. In seiner Wohnung im Fasanenhof hat er sich ein kleines Atelier eingerichtet, die Regale sind bis unter die Decke mit Sprühdosen gefüllt, die er mittlerweile gesponsert bekommt. Seit gut zehn Jahren malt er nun auch auf Leinwand. Die Arbeit ist aufwendig, denn meist greift er auch hier zur Sprühdose. Und weil damit kaum klare Konturen hinzukriegen sind, egal wie ruhig die Hand ist, klebt er zuvor die einzelnen Elemente des Bildes mühsam ab.

Der Vorteil am Malen auf der Leinwand liegt auf der Hand. „Es ist etwas Bleibendes“, sagt Ganter. Beim Graffiti bleibt oft nur ein Foto des Kunstwerks. Das Original wird irgendwann übersprüht. Das gehört dazu. Trotzdem, Chris Ganter ist Graffiti-Künstler durch und durch. Und das wichtigste für einen solchen ist, wie er sagt, das Malen beziehungsweise Schreiben von Buchstaben, und das im öffentlichen Raum. „Bei Graffiti geht es um Buchstaben, es ist die moderne Form der Kalligrafie“, sagt Ganter, „deshalb sagen wir auch nicht malen, sondern schreiben“.

„Graffiti ist mein Lebensinhalt“

Und geschrieben hat er allein in diesem Jahr schon in Dänemark, Griechenland und Schweden. Dort hat er andere Graffiti-Künstler getroffen, um gemeinsam mit ihnen zu sprühen. Auch bei den HipHop-Open war er dabei. Man kommt also rum, wenn man der internationalen Graffiti-Szene angehört, so wie Chris Ganter, der seit 1997 unter dem Künstlernamen Jeroo sprüht. In die Szene reingerutscht ist Ganter, weil er „ständig an den Graffiti-Hot-Spots abhangen“ sei und er es vor zwölf Jahren das erste Mal geschafft hat, mit einem Bild eines seiner Kunstwerke in einem Graffiti-Magazine, das Stylefile, zu erscheinen. Seither sind seine Bilder öfters abgedruckt worden, in nahezu jedem Buch, das vom Thema Graffiti handelt, wird er erwähnt.

Besonders stolz ist er über einen Beitrag in dem französischen Magazin Xplicit Grafx, „dem ‚Spiegel’ unter den Graffiti-Magazinen“, auch wenn es das nicht mehr gibt. Darin wird im bescheinigt, in der Graffiti-Kunst den Euro-Style mitgeprägt zu haben, der sich aus dem amerikanischen Stil entwickelt und sich weiterentwickelt hat. So macht man sich einen Namen. Und das ist Chris Ganters großes Ziel: „Graffiti ist mein Lebensinhalt und damit will ich die Kunstgeschichte mitschreiben.“

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