Die NPD wirbt für Komasaufen, die FDP will mit dem Geld Schluss machen: Hinter diesen Parolen stecken nicht etwa Richtungsänderungen der Parteien, sondern Urban-Art-Künstler. Die Zeit des Wahlkampfs ist für sie ein Fest.

Digital Desk: Anja Treiber (atr)

Stuttgart - Die NPD wirbt dafür, sich mit dem Geld der Oma ins Koma zu saufen. Und die FDP will „Schluss mit Geld“ machen. Diese Parteien haben nicht etwa ihre politischen Positionen verändert, hinter solchen Plakaten stecken vielmehr Urban-Art-Künstler. Sie nennen sich Wahlplakate-Buster und überkleben die politischen Botschaften der Parteien mit selbstgestalteten Plakaten, die den Originalen möglichst ähnlich sehen, aber eine eigene Botschaft transportieren. In der Expertensprache wird das „Fake“ genannt. Es ist eine von mehreren Möglichkeiten, ein Plakat umzudeuten. Und so kommt es dann, dass die NPD-Parole „Geld für die Oma – Statt für Sinti und Roma“ zum Komasaufen auf Kosten der Oma aufruft.

 

„In diesem Wahlkampf gibt es in den Städten gefühlt verhältnismäßig viele Bustings“, sagt Rudolf D. Klöckner. Er ist Stadtblogger und betreibt das Urban-Art-Blog „Urbanshit“. Die Vielzahl begründet er damit, dass die aktuellen Plakate nicht sonderlich kreativ seien. „Inzwischen verbreiten sich die Fotos der Bustings durch die sozialen Medien auch rasant viral im Netz“, erklärt Klöckner die gesteigerte Wahrnehmung dieses Phänomens. Zuletzt gebe es auch vermehrt digitale Modifikationen und Remixe von Wahlplakaten. „Es hat sich eine eigene Netzkultur entwickelt“, ergänzt er.

Vom Hitlerbärtchen bis zu aufwendigen Fakes

Ein neuer Trend sei das Wahlplakate-Busting nicht. Im Kleinen beginnt es mit dem Hitlerbärtchen oder anderen Schmierereien, die ein Schuljunge beim Nachhauseweg auf die Plakate kritzelt. Es endet mit aufwendigen Fakes von Plakaten. „Das ist eine beliebte Strategie“, sagt Klöckner. Dabei werden Teile der Werbung inhaltlich modifiziert und dabei dieselben grafischen Elemente, zum Beispiel Schriftart, Form und Farbe genutzt, so dass die Veränderung dem Passanten erst auf den zweiten Blick auffällt.

Gebustet wird auch jenseits von Wahlen. Innerhalb der Urban-Art-Szene gibt es eine Gruppe, die Werbung im öffentlichen Raum überklebt, umgestaltet und auf diese Weise umdeutet – und oft ins Lächerliche zieht: Sie nennen sich Ad-Buster. „Ad“ steht für „Advertising“ und bedeutet Werbung, „to bust“ heißt zerstören. Wie groß die Szene ist, lässt sich nicht beziffern. Während für den Stadtblogger Klöckner die „kreative Leistung und Auseinandersetzung mit den politischen Inhalten im Vordergrund steht“, kann das Hobby auch rechtliche Konsequenzen haben.

Wird ein Ad- oder ein Plakate-Buster von der Polizei erwischt, droht ihm eine Anzeige. Vor dem Gesetz gelten Busting und Vandalismus gleichermaßen als Sachbeschädigung. In Stuttgart sind in diesem Wahlkampf laut Polizei insgesamt mehrere hundert Plakate beschädigt worden. Aktuell hätten mehrere Parteien Anzeige erstattet, darunter die CDU, die SPD und die AfD. In den meisten Fällen wird es sich dabei vermutlich um Vandalismus handeln. In einer Reihe von Fällen haben Unbekannte die Köpfe der Kandidaten aus den Plakaten herausgeschnitten. Betroffen waren mehrere Parteien im Stadtgebiet.

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