Es ist ein Trend, der aus New York kommt und nun seinen Weg nach Stuttgart gefunden hat: Urban Gardening – zu deutsch Gärtnern in der Stadt. Dabei pflanzen Hobbygärtner Blumen, Gemüse und Gewürze auf städtischen Brachflächen an, wie etwa hinter den Wagenhallen.

Psychologie/Partnerschaft: Nina Ayerle (nay)

Nordbahnhof - Die Sonnenblumen auf der brachliegenden Industriefläche wirken zunächst deplatziert. Genauso wie man Kartoffeln nicht dort vermutet, wo früher eine Tankstelle war. Doch genau das ist der Sinn von Urban Gardening – Gärtnern in der Stadt. Es ist ein Trend, der aus New York kommt und über Berlin seinen Weg nach Stuttgart gefunden hat. Urban Gardening bedeutet, dass eine Gruppe von leidenschaftlichen Hobbygärtnern mitten in der Stadt daran arbeitet, auf öffentlichen Flächen einen gemeinschaftlichen Anbau von Nutzpflanzen zu organisieren.

 

Moritz Bellers, Isabelle Kulakow und Johannes Jörg bilden eine solche Gruppe. Die Sonnenblumen auf der brachliegenden Fläche hinter den Wagenhallen markieren ihr Anbaugebiet. Auch wenn die Blumen jetzt im Herbst nicht mehr leuchtend gelb blühen, ist das kleine grüne Fleckchen doch ein Blickfang auf der riesigen Schotterfläche. „Das war hier zunächst wirklich eine öde Brache, nichts wollte von selbst wachsen“, erinnert sich der Landschaftsarchitekt Bellers. Der Boden sei durch die Tankstelle kontaminiert gewesen, berichtet er.

„Wir standen hier zu dritt und dachten, das ist unsere Fläche“

Doch mit dem Architekturfestival „72 Hours Urban Actioning“ kam kürzlich Leben in das Gelände hinter den Wagenhallen. Architekturstudenten aus Stuttgart und Karlsruhe nahmen an dem Wettbewerb teil und hinterließen eine Infrastruktur. Moritz Bellers war über seinen Arbeitgeber in das Projekt involviert. „Wir standen irgendwann hier zu dritt und dachten, das ist die ideale Fläche“, erzählt Bellers begeistert.

Der Pächter war schnell überzeugt, 15 Meter Boden wurden ausgehoben und eine landwirtschaftliche Fläche wurde eingerichtet. Unterstützung bekamen die Hobbygärtner von Erdbau Fischer. „Er hat uns 30 Lastwagen voll mit Erde hergefahren und aufgeschüttet“, sagt Bellers. Leider war die Erde komplett humusfrei. Boden ohne Humus hat eine schlechte Nährstoffversorgung, was zusätzlichen Aufwand bedeutete: Gründüngung war deshalb zunächst das Gebot der Stunde für die Gärtner, denn auf mineralische Dünger wollte die Gruppe verzichten. Deshalb pflanzten sie Winterweide, Ölrettich und Senf an. Inzwischen sprießen die ersten Keime. „Das verbessert die Bodenstruktur, weil es Stickstoff in den Boden bringt“, erklärt Bellers.

Inzwischen arbeiten 45 Leute auf den 26 Parzellen. Die Gruppe setzt sich aus ganz unterschiedlichen Berufen zusammen, die meisten sind Hobbygärtner, denen ihr Balkon zu klein wurde oder die erst gar keinen haben. Das Niveau reicht vom absoluten Anfänger bis zum Profi-Hobbygärtner, auch viele Kinder sind dabei. Der Nachwuchs habe durch das Gärtnern einen ganz anderen Zugang zu Nahrungsmitteln, sagt Moritz Bellers.

Zuschuss für ein kleines Werkzeugdepot

So vielfältig die Schar der Teilnehmer ist, so unterschiedlich sind die Parzellen gestaltet. Der Bienenfreund hat sich direkt neben einem Gemüsegarten angesiedelt, wo in erster Linie Dill, Salat und Tomaten wachsen. Daneben befindet sich ein Duftgarten. Die Gärtner kennen sich untereinander, jeden Sonntag treffen sie sich, um gemeinsam auf ihrer kleinen Gartenanlage zu arbeiten. Teilweise kümmern sich auch ganze Familien um ein Beet. Die aktivste Familie bilden Hanna, Alex und Samuel, wie ein Namensschild Rand des Beetes preisgibt. Das Trio habe sehr viel Zeit in die Verbesserung des Bodens auf der Fläche investiert, weiß Bellers.

Was den urbanen Gärtnern jetzt noch fehlt, ist eine Sitzgelegenheit und ein Depot für ihr Werkzeug. Ein kleines Häuschen stellen sie sich vor. Bisher finanzieren sich die Gärtner über Spenden, doch die reichen für ein solches Projekt nicht mehr aus. Immerhin 1000 Euro bekommen die Gärtner nun zunächst vom Bezirksbeirat als Zuschuss für ein Gerätehäuschen.