Die Kultusminister sagen den Verlagen zu, mit Schnüffelsoftware nach illegalen Kopien auf den Servern von Bildungseinrichtungen zu suchen.

Berlin - Es ist einem Lehrer erlaubt, seinen Schülern im Unterricht Kopien auszuhändigen, die er aus Schulbüchern angefertigt hat. Natürlich nur in Grenzen. Wenn dieser Lehrer aber zum Kopieren moderne digitale Technik benutzt, einen Scanner zum Beispiel, und wenn er die gescannten Unterlagen zur Wiederverwendung speichert oder den Schülern sogar per E-Mail schickt, dann steht er kurz vor einem Disziplinarverfahren wegen eines Verstoßes gegen das Urheberrecht. So wollen es die Schulbuchverlage, und so haben es alle sechzehn Bundesländer den Verlagen in einem Vertrag zugesichert. Das war im Dezember 2010.

 

Der Vertrag zwischen Bundesländern, Verlagen und Verwertungsgesellschaften gilt seit Januar. Doch erst jetzt, kurz nach der bundesweiten Aufregung über den sogenannten Staatstrojaner, den staatlichen Überwacher im Computer, haben die Blogger von netzpolitik.org den Paragrafen sechs, Absatz vier dieses Vertrages gelesen und den Begriff "Schultrojaner" in die Medienlandschaft geworfen. Nun ist die Aufregung groß, nicht nur im Netz. Und es gibt gute Gründe für diese Aufregung, auch wenn "Trojaner" das falsche Etikett ist.

Der Vertrag regelt, dass "maximal 12 Prozent eines Werkes, jedoch nicht mehr als 20 Seiten" vervielfältigt werden dürfen, und zwar pro Schuljahr und Klasse. Dafür, dass die Verlage diese Rechte einräumen, zahlen die Bundesländer pauschal 7,3 Millionen Euro für 2011. Die Pauschale steigert sich bis 2014 auf neun Millionen. Sie gilt nur für Kopien auf Papier. Sollte beim Kopieren Digitales entstanden sein, ist dieses "umgehend" zu löschen, falls keine ausdrückliche Einwilligung vorliegt.

Geprüft werden nur die Schulserver

Aber die Verlage trauen offenbar den Schulen nicht. Und die Kultusministerien haben dafür Verständnis. Im Paragrafen sechs, Absatz vier ist festgehalten, dass kontrolliert wird. Die Verlage liefern "auf eigene Kosten" etwas, das sie eine "Plagiatssoftware" nennen. Die Länder verpflichten sich vertraglich, die "Speichersysteme" von jährlich einem Prozent der öffentlichen Schulen mit dieser Software nach unerlaubten Kopien zu durchsuchen. Und sie verpflichten sich für den Fall, dass die Software fündig wird, "gegen die betreffenden staatlichen Schulleiter und Lehrkräfte disziplinarische Maßnahmen einzuleiten".

Immerhin, es wird ausdrücklich "die technische und datenschutzrechtliche Unbedenklichkeit" der Software verlangt. Ob so ein Persilschein erreichbar ist, ist strittig. Ob Datenschützer überhaupt im Vorfeld gefragt worden sind, ist zumindest in der zuständigen Behörde Schleswig-Holsteins nicht bekannt. Der Philologenverband hätte sich "gewünscht, dass die Schulministerien im Rahmen ihrer Fürsorgepflicht Lehrkräfte gegen solch einen Generalverdacht in Schutz nehmen". Und die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) vermisst die Einschaltung von Personal- und Betriebsräten.

Die Verlage versuchen zu beruhigen. "Privat- oder Arbeitsrechner der Lehrkräfte oder gar Schüler" seien von der Stichprobenprüfung "nicht berührt", sagt Christoph Bornhorn vom VdS Bildungsmedien, der die Verlage vertritt. Geprüft würden nur die Server der Schule. Das klingt nach einer Lösung für betrugswillige Lehrer. Die haben aber ohnehin noch Zeit. Die Software, so Bornhorn, sei "noch im Entwicklungsstadium".