Ein alter VW-Bulli wirkt neben dem MAN-Laster fast wie ein Spielzeugauto. Zu einem wahren Ungetüm macht das Gefährt aber sein riesiger Aufbau, ein ehemaliger Fernmeldekoffer der Bundeswehr. Aus ihm wird derzeit das etwas ausgefallene Wohnmobil Marke Eigenbau. Die Heusmanns sind seit Jahren passionierte Freiluft-Urlauber. „Ein Ferienhaus?“, sagt Vater Jörg Heusmann, „das hatten wir eigentlich noch nie.“ Die vierköpfige Familie war immer mit dem Wohnwagen unterwegs. Da die beiden Söhne inzwischen nicht mehr unbedingt mit den Eltern die Ferien verbringen wollen, kam der Wohnwagen weg – ein Wohnmobil sollte her. „Man hat da ja bestimmte Vorstellungen“, sagt der 53-Jährige. Seine und die Ideen seiner Frau Karin konnte aber kein Hersteller erfüllen – zumindest nicht zu einem Preis, der noch einigermaßen zu bezahlen gewesen wäre. Also dachte sich der Schreinermeister: Dann mach ich es selbst. Heusmann fand im Netz einen Händler, der Militärequipment ausschlachtet. Bei einem alten Fernmeldekoffer der Bundeswehr schlug er zu.
Vier Schrauben reichen, um den Container zu befestigen
Mittlerweile thront der riesige Kasten aus Glasfaserverbundstoff auf einem MAN-Laster. Diesen in Schuss zu bringen, ist die Aufgabe von Sohn Luc. Der 16-Jährige macht seit etwa einem Jahr eine Ausbildung zum Kfz-Mechaniker für Nutzfahrzeuge, der ehemalige Kipper ist das perfekte Übungsobjekt für den Junior. Da der MAN L2000, Baujahr 99, nicht viel Elektronik habe, „kann man viel selbst machen“, sagt er. Das war auch seinen Eltern Recht, denn die träumen von Urlaub, fernab der Zivilisation. Als erstes Ziel haben sie sich Island in den Kopf gesetzt. Im Land der Geysire gibt es viele Straßen, die man nur mit einem Allrad-Fahrzeug befahren kann und darf – ihr neuer Laster ist damit ausgestattet. Auf der Liste möglicher Reiseziele stehen auch Schottland und die skandinavischen Länder.
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Bis sich Jörg und Karin Heusmann gen Norden aufmachen können, ist aber noch einiges zu tun. Seit einem Jahr werkelt die Familie an dem Laster, von einem Wohnmobil ist das Gefährt aber in etwa so weit entfernt, wie Reykjavik von Ludwigsburg – obwohl schon Hunderte Arbeitsstunden in das Projekt geflossen sind. Weil sich das Fahrgestell, wenn der Laster später über Schotterpisten holpert, verwindet und der Container das nicht mitmachen würde, haben die Heusmanns einen sogenannten Zwischenrahmen eingezogen. Gerade einmal vier Schrauben – jede hält 29 Tonnen – verbinden das Stahlgerüst und den Container, der mehr als eine Tonne wiegt.
Was braucht ein Wohnmobil für die Zulassung?
Um ihn auf den Laster zu hieven, war nicht einmal ein Kran nötig. Jörg Heusmann hat extra Hubelemente geschweißt, mit denen der Fernmeldekoffer aufgebockt werden kann – ohne das handwerkliche Geschick des 53-Jährigen wäre das Projekt kaum möglich. 800 Nieten hat er mit seinem Sohn und seiner Frau ausgebohrt und wieder verspachtelt, auch die Heizung ist mittlerweile raus – es zählt jedes Kilogramm. Denn am Ende darf das mobile Zuhause nicht mehr als 7,5 Tonnen wiegen, damit Jörg und Karin Heusmann es mit ihren alten Führerscheinen noch fahren dürfen. Weiteres Gewicht verliert der Laster, wenn die Fenster ausgeschnitten und die alte, viel zu schwere Tür durch eine leichtere an der Seite ersetzt wird. Der jetzige Eingang wird später einmal der Durchgang zur Fahrerkabine.
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Damit der Laster überhaupt als Wohnmobil auf die Straße darf, braucht er unter anderem ein Bett, eine Sitzgelegenheit, eine Toilette und einen Kocher. Der Strom für die Geräte kommt von einer Solarzelle auf dem Dach. Beim TÜV hat sich Jörg Heusmann vor Beginn des Projekts erkundigt, was er beachten muss. Wenn die Zulassungsbehörde ihm am Ende, und nach all der Arbeit, einen Strich durch die Rechnung machen würde, wäre das eine Katastrophe. Aber das wird nicht passieren, ist sich der 53-Jährige sicher. Ein Jahr wird der Ausbau mindestens noch dauern, schätzt Jörg Heusmann. „Aber dann müssen wir jeden Freitag und jeden Samstag ran.“ Immerhin: Die Heusmanns können grob abschätzen, wann sie mit ihrem Wohnmobil in den Urlaub fahren können.
Beim Wohnmobil-Händler warten Kunden schnell mal ein halbes Jahr
Viele Kunden, die sich im vergangenen Jahr einen Camper angeschafft haben, mussten lange warten. „Drei bis sechs Monate sind normal“, sagt Daniel Rätz, Sprecher beim Caravaning Industrie Verband. Mancher Kunde wartet aber noch deutlich länger. Neben der hohen Nachfrage spielen coronabedingte Einschränkungen in der Produktion und Versorgungsengpässe bei manchen Komponenten eine Rolle. „Holz, Kunststoffe, Klebstoffe – das ist derzeit alles schwierig zu bekommen“, sagt Daniel Rätz.
Jörg Heusmann ist sich sicher, für ein vergleichbares Fahrzeug mit ähnlicher Ausstattung hätte er deutlich mehr Geld auf den Tisch legen müssen, als er es nun tut. Er rechnet am Ende mit Kosten von etwa 50 000 Euro für sein Unikat. „Es gibt ein paar andere Gestörte, die auch schon mal so etwas gemacht haben“, sagt er. Aber viele seien ist nicht. Als nächstes wird der Fernmeldekoffer im inneren neu lackiert. Auch außen bekommt der Container irgendwann eine andere Farbe. Denn das Tarnmuster-Design wäre dann doch ein bisschen zu martialisch.