Drama im Urlaub: Ein Kleinkind stürzt von einer Seebrücke auf Usedom, die Mutter springt hinterher und verletzt sich schwer. Ein Unglück - aber nicht die Schuld der Gemeinde, wie ein Gericht nun sagt.
Stralsund/Zinnowitz - Ein sommerliches Urlaubsfoto ihrer beiden Söhne auf der Zinnowitzer Seebrücke - das will eine damals 34-jährige Brandenburgerin am Abend des 22. Juli 2021 gerne haben. Der Versuch endet für sie und ihren zweijährigen Sohn dramatisch. Das Kind stürzt ins Wasser vor dem Usedomer Strand, die Frau springt hinterher, anschließend wird sie per Rettungshubschrauber in ein Krankenhaus geflogen. Ihre Geldforderungen an die Gemeinde Zinnowitz hat ein Gericht jetzt abgelehnt.
Die Frau aus der Region Barnim hatte argumentiert, die inzwischen mehr als 30 Jahre alte Seebrücke sei nicht sicher. Nach Auffassung des Gerichts handelte es sich hingegen um ein Unglück, bei dem der Gemeinde kein Unrecht vorgehalten werden könne.
Zweijähriger blieb unverletzt
Für das Urlaubsfoto hatten sich der Zweijährige und sein damals zehnjähriger Bruder vor dem Geländer postiert. Nach Darstellung der Mutter wollte sich der Jüngere ebenso wie sein älterer Bruder hinhocken, dann habe er das Gleichgewicht verloren und sei rücklings durch das Geländer gefallen. Der Junge blieb beim Sturz ins flache Wasser unverletzt. Seine Mutter brach sich beim Sprung aus etwa fünf Metern unter anderem das linke Sprunggelenk.
Sie war längere Zeit arbeitsunfähig und benötigt weiterhin Physiotherapie. Auch kann sie nach eigenen Angaben keine längeren Strecken gehen, längeres Stehen sei schwierig. Sie forderte von der Gemeinde mindestens 35.000 Euro Schmerzensgeld und zusätzlich Schadenersatz auch für künftige Folgeschäden.
Gericht verweist auf Aufsichtspflicht von Eltern
Die Seebrücke sei ausreichend sicher, entschied nun das Gericht. "Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar." Die Gemeinde habe davon ausgehen können, dass Eltern Kleinkinder so im Blick haben, dass diese ihrem Spieltrieb nicht unbeaufsichtigt nachgehen. Außerdem sei die grundsätzliche Gefahr herunterzufallen erkennbar gewesen.
Die Gemeinde musste demnach nicht damit rechnen, dass Kleinkinder sich für ein Foto so vor das Geländer hocken, dass sie beim Verlust des Gleichgewichts durch die höchstens 31-Zentimeter-Lücke des Geländers fallen. Auch die Mutter selbst habe damit nicht gerechnet. Das Geländer entspreche den Bauvorschriften und schütze vor erwartbaren Gefahren, etwa wenn Menschen sich an- oder hinüberlehnen, um auf das Wasser zu schauen.
Der Leiter der Zinnowitzer Kurverwaltung hatte vor drei Wochen gesagt, einen vergleichbaren Unfall wie den vorliegenden habe es seit dem Bestehen der Seebrücke nicht gegeben. Auch weitere Seebrücken im Nordosten stammen aus der Zeit.
Die Klägerin muss laut Urteil die Gerichtskosten tragen. Auch die Gemeinde könnte ihre vierstelligen Anwaltskosten von ihr einfordern. Bislang ist das Urteil aber nicht rechtskräftig. Die Frau kann Rechtsmittel einlegen. Ihr Anwalt sagte, er wolle zunächst das Urteil samt Begründung prüfen.