Nur weil sich Tritte gegen das Opfer nicht nachweisen lassen, bleiben zwei Brüder aus Winterbach auf freiem Fuß.

Urteil - Drei Jahre und sieben Monate Haft hatte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer für zwei 18 und 23 Jahre alte Brüder gefordert. Sie hatten im März als Rache für vorhergehende Auseinandersetzungen einen 26-Jährigen in Winterbach brutal zusammengeschlagen und dabei schwer verletzt. Die 4. Große Jugendkammer des Landgerichts Stuttgart hat schließlich für die beiden Gewalttäter jeweils zwei Jahre Haft auf Bewährung verhängt, versehen mit Arbeits- und Therapieauflagen. Ausschlaggebend sei gewesen, so sagte die Vorsitzende Richterin Cornelie Eßlinger-Graf, dass Tritte gegen das Opfer letztlich nicht nachweisbar gewesen seien. Die Forderung der Staatsanwaltschaft sei unter diesem Aspekt durchaus nachvollziehbar: „Hätten wir Tritte festgestellt, dann hätten wir uns mit einem bedingten Tötungsvorsatz nicht schwer getan“ – mit entsprechend verschärfender Wirkung auf das Strafmaß.

 

Angeklagte saßen viereinhalb Monate in Untersuchungshaft

So aber konnten die Brüder nach viereinhalb Monaten Untersuchungshaft in Stammheim den Gerichtssaal mit ihren Angehörigen und ohne Handschellen verlassen. Es sei knapp gewesen, betonte die Richterin, in deren Augen ein intaktes Umfeld und gute Sozialprognosen für die Angeklagten sprach. Negativ ins Gewicht fielen hingegen das erst späte Geständnis, die offenkundige Drogensucht und – zumindest beim jüngeren Bruder, der bei dem „Akt der Selbstjustiz“ die treibende Kraft war – auch ein gerüttelt Maß an schädlichen Neigungen. Beide jungen Männer müssen 80 beziehungsweise 60 Stunden gemeinnützige Arbeit verrichten und sich in entsprechende Sucht-, beziehungsweise Gewalttherapien begeben.

In der Nacht auf den 3. März, so die Rekonstruktion des Tatverlaufs, war der 18-Jährige dem 26-Jährigen und dessen Freundin nachgegangen, nachdem er sie im Zug gesehen hatte. Auf dem Winterbacher Marktplatz kam zu einer ersten Schlägerei zwischen dem körperlich massiv unterlegenen Opfer und dem 18-jährigen Angeklagten. Bereits erheblich verletzt zog der 26-Jährige ein kleines Taschenmesser, und stach nach eigenen Angaben wild um sich.

Blutüberströmt zu Hause angekommen

Nach dieser ersten Auseinandersetzung kam der 18-Jährige blutüberströmt in der Wohnung der Eltern an, wo er sich mit seinem Bruder ein Zimmer teilt Die Freundin des 23-Jährigen wollte sie zum Krankenhaus bringen. Auf dem Weg dahin kamen sie wieder am Marktplatz vorbei, wo der Kontrahent des jüngeren Bruders sein Handy suchte. Als die Brüder ihn erblickten, kam es zur zweiten Attacke, die von der Richterin als übler Akt der Selbstjustiz bezeichnet wurde. Dabei wurde der 23-Jährige von dem Stich in den Rücken getroffen. Dieser öffnete den Brustkorb, was fast zu einem Lungenkollaps geführt hätte.

Auf dem Marktplatz blieb der blutüberströmte 26-Jährige zurück, der sich mit gebrochenem Jochbein und zertrümmerter Nasenscheidewand zu seiner Freundin schleppte. Dort traf kurz darauf ein Spezialeinsatzkommando der Polizei ein. Diese war wegen der Verletzungen der Brüder alarmiert worden und ging aufgrund dieser zunächst davon aus, dass der 26-Jährige der Täter sei.