Das Landgericht Stuttgart lässt den Vorwurf des versuchten Mordes fallen und verurteilt einen 35-Jährigen wegen gefährlicher Körperverletzung. Der Fellbacher hatte einem Bekannten mit einem Messer in den Hals gestochen.

Der Vorsitzende Richter Norbert Winkelmann bemühte in seiner Urteilsbegründung einmal sogar göttliche Wesen. „Irgendein guter Engel hat Ihnen dann doch eingeflüstert, dass das keine so gute Idee ist“, sagte er in Richtung des Angeklagten, den die 19. Große Strafkammer kurz zuvor zu dreieinhalb Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung verurteilt hatte. Mit diesem Urteil wählte das Gericht exakt die Mitte der Schlussanträge von Anklage und Verteidigung: Erstere hatte vier Jahre Haft wegen gefährlicher Körperverletzung gefordert, letztere drei.

 

Gemeinsamer Konsum von Alkohol

Den Vorwurf des versuchten Mordes, der zu Prozessbeginn erhoben worden war, hatten beide fallen lassen, da er nach der Beweisaufnahme nicht mehr zu halten war. Nach den Erkenntnissen des Gerichts traf der Angeklagte am 9. Februar dieses Jahres sein späteres Opfer nach dem Einkaufen von zwei Flaschen Wodka vor einem Lebensmitteldiscounter in Fellbach. Beide kannten sich vom gelegentlichen gemeinsamen Drogen- und Alkoholkonsum seit einigen Wochen. „Es war eine Zweckbeziehung“, beschrieb Winkelmann dies.

Bei diesem Treffen übergab der Bekannte dem Angeklagten mehrere grüne Pillen, nachdem dieser geklagt hatte, er könne nicht mehr schlafen und brauche etwas zum „Runterkommen“. Diese Tabletten bekamen dem drogenerfahrenen 35-Jährigen aber überhaupt nicht. Er beschloss, den Bekannten zur Rede zu stellen. Dazu zog er sich eine Winterjacke über, in der ein Klappmesser steckte, was ihm bewusst war.

In dem nur neun Quadratmeter großen Zimmer des Bekannten forderte er diesen auf, „wie ein Mann mit mir zu reden“. Beide standen sich in einem Abstand von nur 20 bis 30 Zentimeter gegenüber. Unvermittelt zog der Angeklagte das Messer und stach es seinem Kontrahenten in den linken Halsbereich. „Sie wollten ihn verletzen und haben in Kauf genommen, dass er stirbt“, sagte Winkelmann. Beide hätten jedoch sehr viel Glück gehabt: Der acht Zentimeter tiefe Stich sei zwar potenziell lebensgefährlich gewesen, tatsächlich jedoch nicht, da er nur einen Nerv leicht getroffen habe. Als der Bekannte durch das Fenster zu fliehen versuchte, habe ihm der Angeklagte gedroht, er kriege ihn sowieso. Er habe dann aber – die Eingebung des Engels - nicht noch weiter auf ihn eingestochen, sondern sei gegangen – nicht ohne noch eine Flasche mit einem Rest Alkohol mitzunehmen. Damit sei er vom versuchten Mord zurückgetreten.

Ein Mitglied der Hells Angels soll der Angreifer gewesen sein

Der verletzte Mann sei sich der Schwere der Verletzung bewusst gewesen und habe einen Rettungswagen alarmiert, habe dann jedoch behauptet, er sei von einem Mitglied der Hells Angels verletzt worden. In der Klinik wurde er notärztlich versorgt, verließ dieses jedoch noch in derselben Nacht – entgegen dem ausdrücklichen Rat der Mediziner. „Deswegen trägt er auch eine Mitschuld, dass die Bewegungsfähigkeit seines linken Armes bis heute eingeschränkt ist“, erklärte der Vorsitzende Richter. Noch in der Nacht suchte er den Angeklagten auf und konsumierte mit diesem nochmals Alkohol.

Bei der Strafzumessung habe für den Angeklagten vor allem sein Geständnis gesprochen. Zudem sei zu berücksichtigen, dass der Fellbacher durch Alkohol und Drogen enthemmt gewesen sei und er sich bei seinem Opfer entschuldigt habe. Gegen ihn spreche jedoch, dass er vorbestraft sei und Anlass und Tat in einem groben Missverhältnis gestanden seien. Die Schwurgerichtskammer ordnete zudem die Unterbringung des 35-Jährigen in einer Entziehungsanstalt an. Darüber hinaus muss er 3500 Euro Schmerzensgeld an sein Opfer bezahlen. Da alle Prozessbeteiligten auf Rechtsmittel verzichteten, ist das Urteil bereits rechtskräftig. „Zwei Dinge zum Schluss“, sagte Winkelmann zum Angeklagten: „Keine Messer mehr und alles Gute.“