Der Bundesgerichtshof hat am Mittwoch zwei Urteile zu unlauterem Verhalten beim Online-Auktionshaus Ebay verkündet. Wenn sich Verkäufer oder Käufer nicht an die Spielregeln halten, müssen sie hohen Schadenersatz bezahlen.

Politik/ Baden-Württemberg: Christian Gottschalk (cgo)

Stuttgart - In Großbritannien und in den USA sind Ebay-Lockvögel sogar schon strafrechtlich verurteilt worden, in Deutschland geht es ihnen nun zumindest finanziell an den Kragen. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat dem sogenannten „shill bidding“ („Gebotstreibung“) am Mittwoch einen Riegel vorgeschoben. Verkäufer, die im Rahmen einer Internetauktion Gebote auf Gegenstände abgeben, die von ihnen selbst eingestellt wurden, müssen künftig für die finanziellen Folgen der Betrügerei aufkommen. Eingesperrt werden die sich selbst überbietenden Lockvögel hierzulande freilich nicht.

 

In dem aktuellen Fall hatte ein Verkäufer den Preis für seinen gebrauchten VW Golf durch Gebote von einem zweiten Konto in die Höhe getrieben – auf insgesamt mehr als 16 000 Euro. Der Kläger hatte zuvor 1,50 Euro für das Auto geboten gehabt und blieb damit bis zum Ende der Auktion der einzige Fremdinteressent. Da der Wagen zwischenzeitlich auf anderem Weg verkauft wurde, verlangte der Bieter rund 16 000 Euro Schadenersatz. Das Landgericht Tübingen gab ihm recht, das Stuttgarter Oberlandesgericht sah es anders. Die Karlsruher Richter vom Bundesgerichtshof folgten nun den Kollegen aus Tübingen: Der verhinderte Käufer bekommt sein Geld.

Ein 16 000-Auto für 1,50 Euro zu kaufen ist laut BGH das Reizvolle

Der BGH bleibt damit seiner Rechtsprechung treu, die er in den vergangenen Jahren rund um das Thema Ebay entwickelt hat. Ganz wichtig dabei: Juristisch sind die sogenannten Auktionen gar keine Auktionen. Das ist wichtig, um zu begreifen, wann es zu einem Vertragsschluss kommt – und welche Paragrafen des mehr als 100 Jahre alten Bürgerlichen Gesetzbuches zur Anwendung kommen, um die moderne Form des Handels zu beurteilen.

Der VIII. Zivilsenat bedient sich der allgemeinen Regeln des Vertragsschlusses, um den Lockvögeln die Federn zu ziehen. Nach denen trägt der Anbieter „einem anderen“ die Schließung eines Vertrages an. Und demnach, so der BGH in der Begründung, „konnte der Beklagte durch seine Eigengebote von vorneherein keinen Vertragsschluss zustande bringen“.

Dass der Bieter damit das Schnäppchen des Tages gemacht haben dürfte, sieht auch der BGH. Ein Auto im Wert von mehr als 16 000 Euro zu einem eher symbolischen Preis von 1,50 Euro zu erwerben sei jedoch nicht sittenwidrig, erklären die Richter – und verweisen auf ihre bisherige Rechtsprechung. In der Tat: Es sei „gerade der Reiz einer Internetauktion“, solch ein Schnäppchen zu machen, hatte der BGH schon 2014 entschieden. Damals hatte ein Auto im Wert für 6000 Euro für das Ein-Euro-Mindestgebot den Besitzer gewechselt. Allerdings verstärkt genau diese Rechtsprechung auf der Online-Plattform ein anderes Problem – auch dazu gab es am Mittwoch ein Urteil aus Karlsruhe.

Abbruchjäger verdienen an Fehlern der unerfahrenen Ebay-Nutzer

Es geht um sogenannte Abbruchjäger. Abbruchjäger sind eine Spezies, die sich entwickelt hat, weil es immer wieder Ebay-Verkäufer gibt, denen eben diese BGH-Rechtsprechung Bauchgrimmen bereitet. Die typische Fallgestaltung geht so: Ein Verkäufer bemerkt, dass sich kaum jemand für sein hochwertiges Produkt interessiert, dass anstelle von Hunderten oder gar Tausenden Euro nur ein Kleinstbetrag geboten ist – und bricht die Auktion vorzeitig ab. Technisch ist das kein Problem, juristisch schon. Es braucht gemäß dem BGH – und auch nach den Ebay-Geschäftsbedingungen – gute Gründe, um eine Auktion vorzeitig zu beenden. Der Diebstahl des Gegenstandes kann so ein Grund sein. Wenn der Verkäufer die Ware anderweitig verkauft, verschenkt oder einfach zu wenig dafür geboten bekommt, dann sehen weder die Geschäftsbedingungen noch die Rechtsprechung des BGH einen Grund für ein vorzeitiges Ende. Vor allem unerfahrene Ebay-Nutzer machen das oft falsch. Dann schlägt die Stunde des Abbruchjägers: Er hat einen kleinen Betrag geboten und klagt – nachdem die Auktion beendet wurde – auf Schadenersatz.

Der Abbruchjäger unterscheidet sich vom Schnäppchenjäger dadurch, dass er am Erwerb der angebotenen Sache gar nicht interessiert ist, ihm geht es lediglich um den Schadenersatz. Grundsätzlich macht der Abbruchjäger nichts Verbotenes – er bietet und hofft. Ihm auf die Schliche zu kommen ist kompliziert, in zahlreichen Internetforen werden Namen gehandelt und wird vor Zeitgenossen dieser Art gewarnt. Das Kritische: Erst die Masse an Geboten – und gegebenenfalls an Prozessen – macht den Abbruchjäger als solchen kenntlich. In dem Fall, der dem BGH am Mittwoch zugrunde lag, ging es beispielsweise um ein Motorrad im Wert von knapp 5000 Euro, das zu einem Euro hätte ersteigert werden sollen – was ja durchaus zulässig ist. Allerdings hatte der potenzielle Käufer und Abbruchjäger nach den Feststellungen des Landgerichts Görlitz bei Ebay Kleinstgebote in einer Gesamthöhe von mehr als 215 000 Euro abgegeben – und schon vier Gerichtsverfahren eingeleitet.

Betrügereien wären bei höheren Mindestgeboten nicht möglich – aber dann sind die Gebühren höher

Der Bundesgerichtshof hat die Klage nun nicht in der Sache entschieden, sondern aus formellen Gründen abgewiesen. Die klagende Firma war nicht zur Prozessführung befugt. Zur Sache geäußert haben sich die Karlsruher Richter gleichwohl: „Angesichts der Häufung aussagekräftiger Indizien“ sei davon auszugehen, dass der verhinderte Käufer rechtsmissbräuchlich gehandelt habe, so der Senat. Eine Sprecherin von Ebay begrüßte das, bedauerte jedoch zugleich, dass das Gericht keine klaren Regeln aufgestellt habe.

Für die Zukunft bleibt neben allen juristischen Fallstricken vor allem ein praktisches Problem: die Frage nach der Beweisbarkeit. Es bedarf professioneller Recherche, um Abbruchjäger als solche zu identifizieren, und auch um die sich selbst in die Höhe bietenden Lockvögel zu entlarven, braucht es detektivischen Spürsinn. Beiden Betrugsmaschen wäre im Übrigen die Grundlage weitgehend entzogen, wenn die Verkäufer ihre Ware mit einem höheren Mindestgebot feilbieten würden. Das machen allerdings die wenigsten, weil sie dann gegenüber Ebay Gebühren berappen müssten.

Fakten zu Ebay und die Geschichte des Online-Auktionshauses

Fakten:
Laut der Statistikseite „ebay statistics“ hat Ebay rund 176 Millionen Mitglieder weltweit (Stand Januar 2016), davon verkaufen 25 Millionen Nutzer selbst Produkte. Im Jahr 2015 wurden Waren im Wert von 82 Billionen Dollar verkauft. 80 Prozent der angebotenen Artikel sind Neuware, 20 Prozent sind gebraucht. Pro Stunde registriert Ebay 11 Millionen Suchanfragen.

Geschichte
: Die Plattform wurde am 3. September 1995 in Kalifornien unter dem Namen AuctionWeb gegründet. Der deutsche Ebay-Vorläufer Alando wurde schon sechs Monate nach seiner Gründung im Jahr 1999 von der amerikanischen Ebay-Gesellschaft für 43 Millionen Dollar aufgekauft. In Deutschland finanziert sich die Plattform über eine Angebotsgebühr, die zwischen 0,01 Euro und 4,80 Euro je Artikel liegt, sowie über eine Provision in Höhe zwischen zwei bis zwölf Prozent, die dem Verkäufer bei einem erfolgreichen Verkauf in Rechnung gestellt wird