Das Bundesverfassungsgericht hat das umstrittene OMT-Programm der Europäischen Zentralbank unter Auflagen genehmigt. Ohne die Notenbank wäre die Euro-Krise nicht beherrschbar gewesen

Frankfurt - Wohl noch nie hat allein die Ankündigung einer möglichen Maßnahme für so viel Wirbel gesorgt. Als im Sommer 2012 die Schuldenkrise in manchen Euro-Staaten sich immer mehr zuspitzte, hatte die Europäische Zentralbank (EZB) beschlossen, notfalls unbegrenzt Staatsanleihen von Krisenstaaten aufzukaufen, um deren Finanzierung abzusichern. Man darf nicht vergessen: es ging damals nicht nur um Griechenland oder Zypern, auch die dritt- und viertgrößte Volkswirtschaft der Euro-Zone, Italien und Spanien, waren in das Visier von Spekulanten geraten. Allein der Beschluss der EZB vom 6. September 2012 hat den Spekulanten die Luft genommen, die Märkte beruhigten sich zunehmend. Und das, obwohl die EZB diesen Beschluss bis heute nicht in die Wirklichkeit umsetzen musste. Es macht selbst für große Investoren offenbar keinen Sinn, gegen die europäische Notenbank zu spekulieren, die eben über fast unerschöpfliche Geldreserven, notfalls mit der Gelddruckmaschine, verfügt. Negative Nebenwirkungen eingeschlossen, die bisher vermieden werden konnten.

 

Heftige Kritik

Dennoch war die Kritik heftig – vor allem aus Deutschland. Schon zwei Mal musste sich das Bundesverfassungsgericht mit dem Fall befassen, zwischendurch auch der Europäische Gerichtshof. Hauptargument der Kritiker und Kläger: das ist Staatsfinanzierung, die durch den Maastrichter Vertrag der Notenbank verboten ist. Richtig daran ist – und das ist jetzt hoffentlich abschließend durch die Verfassungsrichter geklärt – dass eine direkte Staatenrettung durch die EZB von der Politik nicht vorgesehen ist. Anders als etwa beim deutschen Länderfinanzausgleich, hat man so etwas auf europäischer Ebene nicht vereinbart. Die Auflagen, die die deutschen Verfassungsrichter der EZB mit auf den Weg gegeben haben, sind nachvollziehbar. Und sie würden die Schlagkraft der Notenbank im Ernstfall, falls er denn je eintreten sollte, nicht wirklich bremsen.

Ein negatives Votum der Karlsruher Richter hätte eine neue Euro-Schuldenkrise auslösen können. Das hätte die nationalistischen und Europa-feindlichen Kräfte, die ohnehin in vielen Euro-Ländern an Bedeutung gewinnen, zusätzlichen Auftrieb gegeben. Für den CSU-Politiker Peter Gauweiler, den prominentesten Kläger gegen das OMT-Programm, ist diese Gefahr noch nicht gebannt. Er sieht in dem Kompromissurteil der Verfassungsrichter sogar „Wasser auf die Mühlen der Brexit-Befürworter“, weil nicht einmal das deutsche Verfassungsgericht eine klare Linie einhalte.

Wo sind die Alternativen?

Die Kritiker versäumen es aber, die Alternativen aufzuzeigen. Was würde denn passieren, wenn die EZB nicht als Anker in der Euro-Zone aktiv geworden wäre? Die Euro-Zone als Ganzes oder einzelne Staaten wären zum Spielball von Spekulanten geworden. Durch die Absicherung der EZB-Politik und einige politische Beschlüsse aber sind spürbare Fortschritte in der Haushaltspolitik vieler Staaten erzielt worden. Auch Notenbank-Chef Mario Draghi weist immer wieder daraufhin, dass die Geldpolitik allein das Problem jahrelanger Misswirtschaft in den Euro-Staaten nicht lösen kann, dass weitere Reformschritte nötig sind. Es ist nicht die Hauptaufgabe der EZB, den Zusammenhalt Europas mit ihren Mitteln zu garantieren. Sie hat, Nebenwirkungen einkalkuliert, der Politik Zeit gekauft, um die richtigen Schritte in die Wege zu leiten.

Leider hat sich dabei immer noch nicht, wie an der Flüchtlingsfrage zu erkennen ist, die Einsicht durchgesetzt, dass nur ein vereintes Europa die Zukunft für sich gewinnen kann.