Ein Ingenieur hat in zweiter Instanz einen Rechtsstreit mit der Daimler-Bustochter Evobus gewonnen. Der Autokonzern zeigt sich sehr verwundert über das Urteil.

Stuttgart - Der Daimler-Konzern hat im Streit um Werkverträge eine gerichtliche Niederlage kassiert. Das Landesarbeitsgericht Stuttgart gab einem Entwicklungsingenieur recht, der nach Angaben des Gerichts seit Mai 2011 durchgehend in derselben Abteilung auf demselben Arbeitsplatz am Standort Mannheim des Busherstellers Evobus eingesetzt war – allerdings nacheinander von drei Firmen, die wiederum im Rahmen von Werkverträgen für die Daimler-Tochter tätig waren. Solche arbeitsrechtlich komplizierten Konstruktionen haben Daimler schon viel Ärger und manche Niederlage vor Gericht eingebracht, weil Kritiker mutmaßen, der Autokonzern wolle damit den Tariflohn der Stammbelegschaft umgehen und die Kosten drücken.

 

Im Fall des Mannheimer Entwicklungsingenieurs urteilte das Landesarbeitsgericht, dass es sich um einen Scheinwerkvertrag handle und rechtlich ein Arbeitsvertrag des Klägers mit der Daimler-Tochter zustande gekommen war. Bei Werkverträgen wird eine Leistung zu einem bestimmten Preis an ein anderes Unternehmen vergeben, wie etwa Malerarbeiten bei der Renovierung einer Fabrikhalle. Üblich sind solche Werkverträge auch im Entwicklungsbereich, in der Datenverarbeitung, in der Logistik oder in der Kantine. Der Auftragnehmer bestimmt, mit wie vielen Beschäftigten diese Leistung erbracht wird. Auch für die Bezahlung der Beschäftigten ist der Auftragnehmer zuständig.

Ein Missbrauch von Werkverträgen liegt vor, wenn die Beschäftigten voll in den Arbeitsalltag eingebunden sind. Der Entwicklungsingenieur war nach der Prüfung des Gerichts voll betrieblich eingegliedert und unterstand dem Weisungsrecht von Evobus. Dies sei auch beabsichtigt gewesen, obwohl vertraglich anders vereinbart.

In der bisherigen Rechtsprechung haben solche Scheinwerkverträge indes für die Beschäftigten keine Konsequenzen gehabt, wenn sie auf der Lohnliste eines Unternehmens standen, das auch Leiharbeiter ausleihen darf. Dies galt als rechtliches Hintertürchen. Auch im vorliegenden Fall argumentierten die Evobus-Anwälte laut Gericht, dass der Ingenieur von den Auftragnehmern als Leiharbeiter eingesetzt werden konnte.

Das Landesarbeitsgericht ist nun jedoch von der gängigen Rechtsprechung abgewichen und wies darauf hin, dass eine Leiharbeit weder aus dem Arbeitsvertrag des Ingenieurs noch aus den Werkverträgen ersichtlich gewesen sei. Das Gericht rügt, dass sowohl Evobus als auch der Auftragnehmer gerade bewusst den Sozialschutz des Arbeitnehmerüberlassungsgesetzes verhindern wollten. Das Gesetz verlangt unter anderem, dass Leiharbeiter nur vorübergehend eingesetzt werden dürfen, um etwa Auftragsspitzen zu bewältigen.

Daimler zeigte sich „sehr verwundert“ über dieses Urteil. „Es kann nicht Aufgabe der Arbeitsgerichte sein, die Rolle des Gesetzgebers zu übernehmen, so hat jedenfalls das Bundesarbeitsgericht ausdrücklich in zwei vergleichbaren Fällen entschieden“, sagte ein Sprecher des Autokonzerns.

Weil die Kritik an Werkverträgen immer lauter wird, plant die große Koalition eine Reform, mit der Missbrauch eingedämmt werden soll. Die Gesetzgebung sei für das nächste Jahr vorgesehen, sagte ein Sprecher des Bundesarbeitsministeriums auf Anfrage. Nähere Einzelheiten könne er noch nicht mitteilen. Noch steht nicht fest, ob sich auch das Bundesarbeitsgericht mit diesem Fall beschäftigen wird. Daimler will zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten und dann entscheiden, wie das Unternehmen weiter vorgeht.