Ein Asylbewerber, der in einem Flüchtlingsheim Feuer gelegt hat, muss in Therapie statt in Haft.

Böblingen: Marc Schieferecke (eck)

Sindelfingen - Der Brandstifter wird an seinen Tatort zurückkehren, ins Flüchtlingsheim an der Sindelfinger Eschenriedstraße. So will es das Stuttgarter Landgericht. Der 25 Jahre alte Afghane hat am frühen Morgen des 1. März in seinem Zimmer Feuer gelegt. Dies haben die Richter im Namen des Volkes festgestellt, wenig überraschend, weil der Angeklagte die Tat zu Prozessbeginn gestanden hatte.

 

Der Mann kann aber nicht in Haft geschickt werden. Er war nicht Herr seiner Sinne. Dies ist der entscheidende Teil des Richterspruchs. Die Staatsanwaltschaft war schon in der Anklageschrift von Unzurechnungsfähigkeit ausgegangen und hatte die Zwangseinweisung in die Psychiatrie gefordert. Darauf verzichteten die Richter. Der 25-Jährige wird wieder in ein Zimmer seines alten Heims einziehen.

Ein „psychischer Ausnahmezustand“ schien schon der Polizei die einzige Erklärung

Ein „psychischer Ausnahmezustand“ – so lautet die offizielle Sprachregelung der Polizei – schien schon den Ermittlern vor Ort die einzig mögliche Erklärung für die Tat. Welchen Schaden der 25-Jährige hatte anrichten wollen und warum, blieb unerklärlich. Der Angeklagte hat Selbstmordgedanken als Motiv genannt.

Dass seine Mitbewohner verletzt oder gar getötet würden, wollte er offenkundig nicht. Ein Zimmernachbar war dem herumgeisternden Mann mehrfach in jener Nacht begegnet. Er hatte gewarnt: „Das Heim wird brennen.“ Als schließlich nicht das Heim, aber sein Zimmer in Flammen stand, rief der 25-Jährige selbst die Polizei. Die Bewohner brachten sich mühelos in Sicherheit und wurden vorübergehend in einer nahen Turnhalle untergebracht.

Das gesamte Stockwerk war wegen Rauchschäden unbewohnbar

Das gesamte Stockwerk war wegen Rauchschäden unbewohnbar. Das Zimmer brannte aus. Die Reparaturen kosteten 70 000 Euro. Als die Polizisten am Tatort ankamen, zeigten Mitbewohner auf den Täter. Er war nicht ansprechbar, brabbelte Satzfetzen, mal Afghanisch, mal Deutsch. Die Polizei setzte ihn in einem Streifenwagen fest. Wenig später wurde ein Haftbefehl gegen den Mann ausgestellt. Seitdem sitzt er nicht in Untersuchungshaft, sondern in der geschlossenen Psychiatrie.

Die Staatsanwaltschaft war davon ausgegangen, dass der 25-Jährige dort bleiben müsse, weil er eine Gefahr für die Allgemeinheit sei. Laut dem Urteil eines Gutachters leidet der Mann unter einer paranoiden Schizophrenie. Er habe seinerzeit Befehle von Stimmen entgegengenommen, die nur er selbst gehört habe. Offenbar schlägt die Therapie aber an. Der 25-Jährige wird mit Psychopharmaka behandelt. Alle zwei Wochen bekommt er eine Depotspritze injiziert. Diese Behandlung hält der Gutachter auch dauerhaft für erfolgversprechend. Er fühle sich inzwischen vollkommen gesund, hat der 25-Jährige selbst ausgesagt.

Der 25-Jährige muss sich fünf Jahre lang bewähren

Er muss die Therapie fortsetzen, wird unter Aufsicht gestellt und darf fünf Jahre lang keine Straftat begehen. Nur wenn er diese Auflagen erfüllt, bleibt er frei. Sonst muss er zurück in die geschlossene Psychiatrie. Ob der 25-Jährige die Bewährungszeit in Deutschland verbringen wird, ist unklar. Sein Asylantrag wurde abgelehnt. Über seine Klage gegen diese Entscheidung muss noch verhandelt werden.

Die Mitbewohner dürften den Rückkehrer mit Argwohn begrüßen. Er war schon vor der Tat vielfach aufgefallen. Die Polizei war seinetwegen etliche Male in der Unterkunft. Einmal wegen einer Schlägerei, sonst, weil der 25-Jährige grundlos herumbrüllte. Auch medizinische Laien beschlich der Verdacht, dass eine Psychotherapie dringend angeraten wäre. Eine Sozialarbeiterin hatte mehrfach versucht, den Mann in verschiedenen Kliniken unterzubringen. Sie wurde stets abgewiesen, womöglich auch aus einem einfachen Grund: Der 25-Jährige hat keinen Pass. Wer die Kosten einer Behandlung hätte zahlen sollen, wäre unklar gewesen.