Um fast 30 Prozent waren die Ertragsprognosen überhöht. Eine Leonberger Firma wurde deshalb verurteilt, von ihr verkaufte Solaranlagen zurückzunehmen. Die Stuttgarter Versicherung als Finanzierer konnte Klagen dagegen abwehren.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Zivilprozess um einen Solarpark in Mecklenburg-Vorpommern, dessen Ertrag zu wünschen übrig lässt, hat die Stuttgarter Versicherung Klagen von Anlegern abwehren können. Die Leonberger Firma Eurosolid Energy wurde vom Landgericht Stuttgart dagegen zur Rücknahme der Anlagen verurteilt. Begründung: Sie habe die zu erwartenden Erträge deutlich überhöht angegeben und die Käufer damit arglistig getäuscht. Da bei Eurosolid voraussichtlich wenig zu holen ist, hatten sich die Kläger vorrangig an die Stuttgarter Versicherung gehalten. Diese hatte die von Eurosolid verkauften Anlagen größtenteils per Darlehen finanziert. Das Gericht sah trotz des engen Zusammenwirkens jedoch kein „verbundenes Geschäft“, bei dem die Geschädigten auch die Versicherung in Anspruch hätten nehmen können.

 

Die Stuttgarter Versicherung zeigte sich durch das Urteil in ihrer Position bestätigt. Man sei danach „nicht für die von den Investoren erhoffte Rentabilität der Anlagen verantwortlich“, sagte ein Sprecher. Das Gericht habe die Klagen sorgfältig geprüft und zahlreiche Zeugen vernommen; zudem habe es die Solaranlagen von einem Sachverständigen begutachten lassen. Zur Verurteilung der einstigen Geschäftspartner von Eurosolid äußerte sich der Sprecher nicht. Der Rechtsanwalt von Eurosolid lehnte eine Stellungnahme zum Urteil ab. Er machte dafür „datenschutzrechtliche Gründe“ geltend. In einer früheren Erklärung hatte die Leonberger Firma betont, sie habe niemanden getäuscht. Gegen Verantwortliche von Eurosolid laufen im Zusammenhang mit dem Solarpark auch Ermittlungen wegen Betrugs. Ende vorigen Jahres gab es laut der Staatsanwaltschaft Stuttgart Durchsuchungen in Leonberg und in Mecklenburg-Vorpommern.

Anwälte raten zur Berufung

Die Leipziger Kanzlei Dr. Fingerle, die die Kläger vertritt, wertete das Urteil als Teilerfolg. In vielen Punkten sei das Gericht ihrer Argumentation gefolgt. So habe es bestätigt, dass die Prognose, die die Mandanten zum Kauf bewegt habe, um 27,7 Prozent vom tatsächlichen Ertrag abwich. „Das ist erheblich“, betonte die Kanzlei. Zudem teile die Kammer die Ansicht, dass die Stuttgarter Versicherung und Eurosolid beim Vertrieb der Anlagen „konstitutionell zusammengearbeitet“ hätten. Eine Verurteilung der Versicherung sei an Punkten gescheitert, die man rechtlich auch anders sehen könne. Daher bedürfe das Urteil „unbedingt einer Überprüfung“.

Als der Solarpark in Murchin-Relzow (Landkreis Vorpommern-Greifswald) vor einigen Jahren parzellenweise zum Kauf angeboten wurde, gaben sich die Beteiligten noch optimistisch. „Mit der Sonne Geld verdienen – geringes Risiko, umweltfreundliche Rendite“, warb Eurosolid im Prospekt. Anders als bei Fonds bekomme jeder Investor seine eigene Anlage (Preis: etwa 50 000 Euro) und werde damit zum „Energieunternehmer“. Dank des Erneuerbare-Energien-Gesetzes winkten für 20 Jahre kalkulierbare Einnahmen. Für die Finanzierung offerierte die Stuttgarter Versicherung ein Darlehen, das mit den Erträgen getilgt werden sollte; auch eine Kombination mit Rentenversicherung oder Bausparvertrag war möglich.

„Das klingt toll und das ist toll“

Bei einer gemeinsamen Werbeveranstaltung hatte sich der Vizevorstandschef Wolfgang Fischer euphorisch über die Zusammenarbeit mit Eurosolid geäußert: „Das klingt toll, und das ist toll.“ Die Kunden bekämen „Sicherheit für ihr Geld“, das Angebot laufe „wie geschnitten Brot“, Beschwerden gebe es keine. Zahlreiche Käufer hatten betont, sie hätten in der Versicherung – die in der Branche einen besonders guten Ruf genießt – einen Garanten für die Seriosität des Angebots gesehen. Dies wies die Stuttgarter jedoch stets zurück. Man habe sich alleine auf die Rolle des Finanzierers beschränkt.

Als die Erträge deutlich hinter den Erwartungen zurückblieben, gerieten viele Anleger in Schwierigkeiten. Teilweise seien diese sogar existenzbedrohend, hieß es. Ihre Klagen richteten sich vorrangig gegen die Versicherung, weil diese der finanzkräftigste Akteur sei. Bei Eurosolid fehle vermutlich die Liquidität, um das Urteil vollstrecken zu können, heißt es bei der Kanzlei Fingerle.

Gutachter hält Prognosen für weit überhöht

Im Urteil wird betont, Kreditgeber seien grundsätzlich nicht zur Aufklärung über das finanzierte Geschäft verpflichtet. Es sei auch nicht nachgewiesen worden, dass die Stuttgarter Versicherung von den überhöhten Ertragsprognosen wusste. Evident, also offensichtlich wären diese nach der Rechtsprechung erst bei einer Abweichung von 30 Prozent gewesen. Nach dem vom Gericht bestellten Gutachten hätten die prognostizierten Erträge selbst im günstigen Fall nicht erreicht werden können. Eurosolid hätte die Käufer über die Unrichtigkeit der Prognosen der Firma Fleckenstein, die die Anlage errichtet hatte, aufklären müssen. Weil das unterblieb, könnten die Geschädigten die Rückabwicklung verlangen.

Die Kanzlei Fingerle rät den Anlegern nun, Berufung einzulegen. Es gebe durchaus Chancen, doch noch Ansprüche gegen die Versicherung durchzusetzen. Die Ertragsprognosen seien etwa so offensichtlich überhöht gewesen, dass sich die Versicherung „der Kenntnis der Täuschung geradezu verschlossen“ habe.