Eine Frau aus dem Kreis Ludwigsburg verklagt ihre Krankenkasse, weil sie die Kosten für mehrere Hautstraffungsoperationen nach einer Magenverkleinerung nicht übernehmen will. Das Gericht entscheidet zugunsten der 61-Jährigen – mit einer unerwarteten Begründung.

Politik: Lisa Kutteruf (lis)

Heilbronn - Eine Frau klagte gegen ihre Krankenkasse, weil diese ihre Hautstraffungsoperationen nicht bezahlen wollte. Mit Erfolg: Das Sozialgericht Heilbronn hat die Krankenkasse nun dazu verurteilt, die Kosten für die Eingriffe zu übernehmen. Ausschlaggebend für die Entscheidung des Gerichts war allerdings nicht, inwiefern die Operationen tatsächlich nötig waren – sondern ein Formfehler der Krankenkasse. Noch kann die Kasse in Berufung gehen, das Urteil ist nicht rechtskräftig.

 

Alles begann mit einem Magen-Bypass. Eine 61-Jährige aus dem Kreis Ludwigsburg hatte nach der von der Krankenkasse bezahlten Operation 40 Kilo abgenommen und Hautstraffungsoperationen am Bauch, an den Brüsten, Oberarmen und Oberschenkeln beantragt. Sie leide unter anderem an einer Brustfehlbildung, die sie auch psychisch belaste.

Krankenkassen sind verpflichtet, innerhalb bestimmter Fristen über derartige Anträge zu entscheiden. Sie müssen ihre Entscheidung spätestens nach fünf Wochen mit einem unterschriebenen Schreiben kommunizieren.

Argumente der Krankenkasse bedeutungslos für Urteil

Im Fall der 61-Jährigen teilte die Krankenkasse zwar mit, dass sie die vorgeschriebene Frist nicht einhalten könne, setzte jedoch weder einen Namen noch eine Unterschrift unter das Schreiben. Dieses war lediglich mit „Ihre KK“ unterzeichnet. Aufgrund dieses Formfehlers hat das Sozialgericht Heilbronn nun entschieden, dass die Krankenkasse für die Behandlungskosten der 61-Jährigen aufkommen muss.

Knackpunkt sei die fehlende Unterschrift gewesen, bestätigt der Richter Joachim von Berg auf Anfrage. Die Argumente der Krankenkasse gegen eine Kostenübernahme spielten angesichts des Formfehlers hingegen keine Rolle mehr, wie aus der Urteilsverkündung des Gerichts hervorgeht. Die Kasse hatte nach Ablauf der Frist mitgeteilt, dass sie die Kosten für die Bauchdeckenstraffungen übernehme, für die Eingriffe an anderen Körperteilen hingegen nicht aufkomme. Bei der überschüssigen Haut handle es sich weder um eine Krankheit, noch liege eine Entstellung vor.

Entstellung oder kosmetischer Eingriff?

Was gilt als Entstellung? Wäre das Schreiben mit einer Unterschrift versehen gewesen, wäre wohl eben dieser Begriff relevant geworden. Die Rechtsprechung orientiert sich an einem Leitsatz, dem zufolge Versicherte eine Krankenbehandlung wegen Entstellung nur dann beanspruchen können, „wenn sie objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit leiden, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet“. Vor dem Bundessozialgericht kam dieser Leitsatz unter anderem 2008 zum Tragen. Damals beanstandete eine Klägerin, dass ihre Krankenkasse eine Operation zur Angleichung ihrer von Natur aus unterschiedlich großen Brüste nicht finanzieren wolle. Das Gericht wies ihre Klage zurück. Die körperliche Auffälligkeit müsse so ausgeprägt sein, dass sie sich schon „im Vorbeigehen“ bemerkbar mache, lautete ein Argument des Gerichts.