Die EU muss die Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit gegen Warschau verteidigen. Ansonsten steht die Zukunft der gesamten Union auf dem Spiel, kommentiert unser Brüssel-Korrespondent Knut Krohn.

Korrespondenten: Knut Krohn (kkr)

Brüssel - Polen hat vor dem Europäische Gerichtshof erneute eine schwere Schlappe eingesteckt. Das ist gut so. Denn bei dem seit Jahren andauernden Streit der EU mit Polen geht es nicht nur die Auseinandersetzung mit einem einzelnen Mitgliedstaat. Es geht um das Funktionieren und damit um die Zukunft der Europäischen Union. Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechte sind die Grundlage für alles, was die EU ausmacht. Das heißt, die Regierung in Warschau beschädigt beständig das Fundament der Union.

 

Sorge über die Entwicklung in Polen

Die polnische Regierung bezweifelt nicht nur, dass Europarecht über der eigenen Verfassung steht. Mehrere Aspekte der Justizreform geben Anlass zu ernster Sorge, was die Rechtsstaatlichkeit und vor allem die Unabhängigkeit der Gerichte angeht. Dasselbe gilt übrigens auch für Ungarn. Die Union kann diesem Tun beider Staaten nicht tatenlos zusehen, zumal diesen systematischen Abbau des Rechtsstaats in Polen und Ungarn längst einige Nachahmer gefunden hat.

Die EU-Prinzipien werden ausgehöhlt

Über Jahre wurde von Seiten der Union gemahnt und auch gedroht, sie musste aber praktisch tatenlos diesem langsamen Aushöhlen der europäischen Grundprinzipien zusehen. Doch inzwischen scheint Brüssel eine Sprache gefunden zu haben, die auch in Warschau und Budapest verstanden wird. Die EU-Kommission hat die Auszahlung der milliardenschweren Corona-Hilfen für beide Länder gestoppt. Der Grund: die Wiederaufbaumittel sind an die Einhaltung von EU-Recht geknüpft worden. Aus ersichtlichem Grund fordern Warschau und Budapest, dass eine entsprechende „Konditionalitätsregelung“ wieder abgeschafft wird. Das wäre ein großer Fehler. Denn es scheint ein sehr effektiver Weg, den Regierungen in Polen und auch in Ungarn deutlich zu machen, dass der Vorrang des Europarechts nicht verhandelbar ist, denn ein „Europa à la carte“ kann nicht funktionieren.