Die zwei Mietparteien, die sich gerichtlich gegen die Kündigung ihrer Wohnungen an der Beethovenstraße in Botnang gewehrt haben, müssen ausziehen. Das Landgericht hat dem Bau- und Wohnungsverein Stuttgart (BWV) recht gegeben.

Stuttgart - Das Urteil war nach der mündlichen Verhandlung am 18. Januar keine Überraschung mehr. Am Mittwoch hat die 4. Zivilkammer des Landgerichts dem Bau- und Wohnungsverein Stuttgart (BWV) recht gegeben. Die Kündigung zweier Mietparteien sei rechtlich nicht zu beanstanden, die Mieter müssen das Feld räumen. Auch der vom Gericht angestrebte Vergleich zwischen BWV und den verbliebenen Mietern der Häuser an der Beethovenstraße 60 bis 70 in Botnang ist gescheitert.

 

Der BWV werde durch die Fortsetzung der Mietverhältnisse daran gehindert, sein Eigentum auf angemessene Weise wirtschaftlich zu verwerten, sagt Evelyn Oltmanns, Vorsitzende Richterin der 4. Zivilkammer. Damit hat die Kammer das Urteil des Amtsgerichts Stuttgart vom 24. Mai 2016 abgeändert. Vor dem Amtsgericht hatten sich die Mieter noch erfolgreich gegen die Kündigung ihrer zwei Wohnungen gewehrt. Damals hatte es geheißen, der BWV habe die Kündigungen nicht ausreichend begründet. Das sieht das Landgericht anders. Man stütze sich dabei auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH), so Richterin Oltmanns. Eine Revision ließ die Kammer nicht zu, da diese Rechtsfrage vom BGH in vergleichbaren Fällen bereits geklärt worden sei.

Eigentümer kündigt Vergleich auf

Das ist gut für den BWV und schlecht für die zwei in den Häusern verbliebenen Mietparteien. Denn die Mieter müssen ausziehen und bekommen keine Abfindung. Eine solche hatte das Gericht angeregt. 10 000 Euro sollte jede der zwei Mietparteien erhalten. Im Gegenzug hätten sie die Wohnungen zu einem festen Termin räumen müssen. Nach zähem Tauziehen hatten sich beide Seiten für eine gütliche Einigung offen gezeigt. Der BWV als Eigentümer hatte den Vergleich dann aber aufgekündigt.

In der einen Wohnung lebt der Wissenschaftler Ilja Gerhardt mit seiner schwangeren Partnerin und zwei Kindern, in der anderen Wohnung pflegt Wolfgang Reitzig seine 91 Jahre alte Mutter. Die ältere Dame, die seit 1973 in dem Haus wohnt, leidet an Demenz und hat voriges Jahr einen Schlaganfall erlitten. Derzeit ist sie in einem Pflegeheim untergebracht. Der BWV geht laut seinem Anwalt davon aus, dass die 91-Jährige die Wohnung gar nicht mehr brauche. Und weil die zwei Verfahren gegen Reitzig und Gerhardt miteinander verwoben seien, sei man von dem Vergleich abgerückt. Das war dem BWV nach der mündlichen Verhandlung leicht gefallen. Denn schon im Januar hatte die Kammer signalisiert, sie halte die Kündigungen – anders als das Amtsgericht – für wirksam.

Mieter sagen, Sanierung sei möglich

Die Mieter hatten, unterstützt von der Mieterinitiative und von Stadtrat Hannes Rockenbauch (SÖS/Linke-plus), argumentiert, die 1927 erbauten Häuser an der Beethovenstraße seien sanierbar und so als günstiger Wohnraum zu erhalten. Der BWV widerspricht. Eine Sanierung lohne sich nicht. Die Gebäude hätten unter anderem keine Balkone, sie seien nicht barrierefrei, es stünden keine Parkplätze zur Verfügung, es gebe keine Aufzüge, der Brandschutz sei nicht ausreichend, die elektrischen Leitungen und die Isolierung müssten komplett erneuert werden. Derzeit stehe der Quadratmeter-Mietpreis bei 5,80 Euro. In den geplanten neuen Häusern koste der Quadratmeter zehn bis elf Euro. Die Richterin ergänzt: Es gehe hier nicht um den Bau Luxuswohnungen. Zudem hätten die Mieter bei einer Vollsanierung auch ausziehen müssen.

Die Stadt Stuttgart hat die Genehmigung für Abriss und Neubau bereits Anfang Dezember 2014 erteilt. 46 der 48 Mietparteien sind schon ausgezogen.