Der Prozess wegen Kindesmissbrauchs in Staufen endet mit langen Haftstrafen für die Hauptangeklagten. Der Missbrauchsbeauftragte des Bundes rügt die politische Aufarbeitung des schockierenden Falls im Land.

Freiburg - In einem der bundesweit schwersten je bekannt gewordenen Fälle von Kindesmissbrauch müssen die Mutter des Opfers und ihr Partner lange ins Gefängnis. Die 48-Jährige wurde am Dienstag vor dem Landgericht Freiburg zu zwölfeinhalb Jahren Haft verurteilt – wegen Vergewaltigung, sexuellen Missbrauchs sowie Zwangsprostitution ihres Sohnes. Gegen ihren 39-jährigen Lebensgefährten verhängten die Richter eine Strafe von zwölf Jahren Haft mit anschließender Sicherungsverwahrung. Da die Mutter nicht in Revision geht, ist das Urteil rechtskräftig.

 

Lesen Sie auch den Kommentar zum Urteil: Haftstrafen sind nicht genug

Johannes Wilhelm Rörig, Beauftragter der Bundesregierung für Fragen des sexuellen Missbrauchs, sieht den Fall mit dem Urteil nicht abgeschlossen. Er kritisiert die Aufarbeitung im Rahmen einer interministeriellen Arbeitsgruppe: „In Baden-Württemberg sehe ich bisher nur einen internen Aufarbeitungsprozess. Wir brauchen aber wegen der gesamtgesellschaftlichen Bedeutung des Falles eine umfassende, öffentliche Aufarbeitung, zu der die Landesregierung auch externen Sachverstand hinzuziehen sollte.“ Ministerpräsident Winfried Kretschmann müsse „einen verschärften Blick auf die politische Aufarbeitung des Falles werfen“.

Fehler schonungslos aufarbeiten

Alle Versäumnisse und alle Fehlentscheidungen, die von Behörden und Gerichten in dem Fall getroffen wurden, müssten „schonungslos ausgeleuchtet werden“. Das sei man dem jungen Missbrauchsopfer schuldig, erklärte der Beauftragte weiter: „Warum wurden Mitteilungspflichten verletzt? Warum alarmierten die Verstöße gegen die Bewährungsauflagen nicht die richtigen Stellen? Warum wurde das Kind nicht angehört?“ Das Justizministerium in Stuttgart will „den Ergebnissen und Vorschlägen der Arbeitsgruppe nicht vorgreifen“, wie es heißt.

Die Arbeitsgruppe aus Richtern des Oberlandesgerichtes Karlsruhe, des Amtsgerichts Freiburg sowie Mitarbeitern des Jugendamtes Breisgau-Hochschwarzwald will bis September diskutieren. Das Justizministerium werde deren Ergebnisse „sehr genau auswerten“ und auf ihrer Grundlage über Maßnahmen entscheiden. Ähnlich äußerte sich eine Sprecherin des Sozialministeriums in Stuttgart und fügte hinzu: „Das Land hält Schuldzuweisungen zum aktuellen Zeitpunkt für nicht zielführend.“ Zudem habe das Ministerium schon vor dem Fall Staufen ein Kinderschutzkonzept entwickelt. Alle Jugendämter hätten das Angebot erhalten, ihre Strukturen und Prozesse wissenschaftlich begutachten zu lassen. 23 Jugendämter machten nach der Sommerpause den Anfang.

Johannes Wilhelm Rörig verlangt ebenso wie die Opposition im Bundestag mehr Geld für zusätzliche Stellen in Jugendämtern: Darüber hinaus fordert er vom Land eine Bundesratsinitiative für eine „bessere Qualifikation“ zuständiger Richter.