Urteil in Heidelberg Sexueller Missbrauch in Kindergarten - Bewährungsstrafe für Erzieher

Sie erschleichen sich das Vertrauen ihrer Opfer und planen die Taten oft von langer Hand: Erzieher, die Kinder missbrauchen. In Heidelberg hat sich ein Mann an zwei kleinen Mädchen vergangen. Nun wurde er dafür vom Landgericht der Neckarstadt verurteilt.
Heidelberg - Ein ehemaliger Erzieher ist zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren auf Bewährung verurteilt worden, weil er in einem Heidelberger Kindergarten zwei kleine Mädchen sexuell missbraucht hat. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass sich der 24-Jährige an den Kindern vergangen hat. Sie sprachen ihn daher am Donnerstag wegen insgesamt vier Fällen schuldig. Die Jugendkammer verhängte darüber hinaus ein fünfjähriges Berufsverbot.
Die Taten haben sich dem Gericht zufolge zwischen Oktober 2019 und Januar 2020 ereignet. Einem Kind habe der damalige Erzieher während der Mittagsruhe in die Hose gegriffen und an den Geschlechtsorganen gestreichelt. Zudem hat der Deutsche ein weiteres Mädchen dazu gebracht, seinen Penis zu berühren. Er sagte ihr demnach, er habe Gummibärchen in seiner Hose versteckt.
Kinder erzählen ihren Eltern von den Vorkommnissen
Der Mann hat nach Angaben der Richter die Taten vollumfänglich gestanden. Was ihn aber letztlich dazu bewogen habe, die Kinder zu missbrauchen, sei nicht eindeutig klar geworden. Daher muss der 25-Jährige auch eine Sexualstraftätertherapie machen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.
Ein solcher Prozess ist aus Sicht von Ursula Schele vom Kieler Petze-Institut für Gewaltprävention eine Seltenheit: „Ein Bruchteil aller Fälle wird bekannt. Davon wird nur ein geringer Anteil gemeldet und davon nur ein kleiner Teil zur Strafanzeige gebracht.“ Die größte Hürde, eine solche Tat aufzudecken sei, dass Menschen sich nicht vorstellen könnten, dass sich ihr Partner, Verwandter oder Kollege solcher Verbrechen an wehrlosen Kindern schuldig mache. Auf jeden öffentlich gewordenen Fall kämen 20 bis 25 unbemerkte.
Die zum Tatzeitpunkt drei und vier Jahre alten Mädchen hatten ihren Eltern von den Vorkommnissen erzählt, die daraufhin die Behörden informierten. Kurz nach Verhandlungsbeginn am Donnerstag hatte die Jugendkammer die Öffentlichkeit bis zur Verkündung des Urteils ausgeschlossen. Die Richter begründeten dies mit dem Opferschutz. Auch die Anklageschrift wurde nicht öffentlich verlesen.
Die Täter sind Schele zufolge nicht krank und handeln auch nicht im Affekt, sondern in vollem Bewusstsein ihrer Vergehen: „In der Regel sind sie keine Gewaltverbrecher, sondern Manipulanten und Betrüger, die planvoll vorgehen. Das beginnt schon mit der Berufswahl.“ Sie hätten ein Gespür für Kinder mit Defiziten an - auch körperlicher - Zuwendung. Vermeintlich normale Berührungen gingen schleichend in sexualisierte über. „Dann wird noch eine Schippe draufgelegt.“
Betroffen sind zu etwa 75 Prozent Mädchen
Wie im Heidelberger Fall näherten sich die Täter oft spielerisch und mit Geschenken verbunden dem Kind an. Bei Babys würden Übergriffe in die Pflege eingebaut. Typische Merkmale der Täter seien ein fehlendes soziales Umfeld, ein schwieriges Verhältnis zu gebotener Nähe und Distanz sowie ein geringes Selbstbewusstsein.
Den Behörden sind im Jahr 2019 weit mehr als 13 000 Straftaten des sexuellen Kindesmissbrauchs bekanntgeworden. Das geht aus der polizeilichen Kriminalstatistik hervor. Betroffen sind zu etwa 75 Prozent Mädchen, ein Viertel der Opfer sind Jungen.
Die Kinder müssen bei derartigen Übergriffen laut Schele aber keinen dauerhaften Schaden erleiden: „Wenn das Umfeld ruhig und besonnen reagiert, dem Kind keine Vorwürfe gemacht werden, kann eine weitere Traumatisierung vermieden werden.“
Nach Ansicht der Präventionsexpertin Ulli Freund wäre bereits viel gewonnen, wenn Kinder ernster genommen und gehört würden. In einer Atmosphäre der Mitsprache und Beteiligung sei die Wahrscheinlichkeit höher, dass sie es wagten, sich über Übergriffe zu beschweren. Dabei dürfe nicht vergessen werden, dass die Kinder den Begriff „Missbrauch“ nicht kennen. Aufhorchen müssten Eltern wie Pädagoginnen bei Bemerkungen wie: „Der ist so komisch, der drückt mich so fest.“
Erzieherinnen und Erzieher müssten auch aktiv abfragen, wie das Kind sich fühlt, was es schlecht und was es gut findet. Gelegenheit dazu biete sich etwa im Morgenkreis. Die Beraterin: „An der Partizipation im Kindergarten kommt niemand mehr vorbei.“
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