Trotz eines Urteils des Verwaltungsgerichtshofs in Mannheim halten einige Städte und Gemeinden in Baden-Württemberg am Verbot von Grabsteinen unklarer Herkunft fest. Das Problem ist, dass es für Grabsteine kein vertrauenswürdiges Zertifikat gibt.

Kehl - Die weit verbreitete Schnäppchenmentalität macht auch vor dem Friedhof nicht halt. Immer öfter kommen Grabsteine und Grabeinfassungen daher nicht mehr aus heimischer Produktion, sondern – deutlich billiger – per Containerschiff aus Asien. Die Stadt Kehl etwa hat festgestellt, dass mittlerweile fast 90 Prozent aller dort aufgestellten Grabsteine aus Indien stammen. Dabei sei bekannt, dass in den Steinbrüchen des Landes oft „unbeschreibliche Zustände“ herrschten und dass dort auch Kinder im Einsatz seien, bedauert man im Rathaus. Die Landesregierung in Stuttgart hatte wegen solcher Bedenken im Juni 2012 das Bestattungsgesetz um einen Paragrafen ergänzt, wonach Kommunen per Verordnung festlegen können, dass nur Grabsteine und Einfassungen verwendet werden dürfen, „die nachweislich aus fairem Handel stammen und ohne ausbeuterische Kinderarbeit im Sinne der Internationalen Arbeitsorganisation hergestellt sind“.

 

Beim Verwaltungsgericht gingen 60 Normenkontrollklagen ein

In Kehl und in vielen anderen Städten und Gemeinden zwischen Mannheim und dem Bodensee wurden daraufhin die örtlichen Friedhofsatzungen um einen entsprechenden Paragrafen ergänzt; auch der Gemeindetag hat seine Mustersatzung geändert und die Umsetzung der Vorschrift empfohlen. Dagegen sind Steinmetzbetriebe im ganzen Land anschließend regelrecht Sturm gelaufen. Insgesamt 60 Normenkontrollklagen haben sie beim Verwaltungsgerichtshof (VGH) in Mannheim eingereicht, um die kommunalen Verbote wieder zu Fall zu bringen. Mit Erfolg: im April hat der VGH in einem ersten Fall für die Stadt Kehl entschieden: „Das Verbot von Grabsteinen aus ausbeuterischer Kinderarbeit ist rechtswidrig und daher unwirksam.“ Es existiere „derzeit kein einziges Siegel für fair gehandelte Grabsteine, das als vertrauenswürdig anerkannt werden könnte“, stellten die Richter fest.

Auch verlässliche Nachweise, dass Steine ohne ausbeuterische Kinderarbeit hergestellt worden seien, gebe es nicht. Eine staatliche Stelle zur Anerkennung von Zertifikaten fehle, damit belaste das Verbot die Steinmetze unzumutbar, ihnen sei es nicht möglich, die „Wertschöpfungskette der Steine darzustellen“.

Kehl hat das Verbot aus der Friedhofssatzung gestrichen

Nachdem das Bundesverwaltungsgericht zuvor in einem Streitfall in Nürnberg ähnliche Bedenken geltend gemacht hatte, hat man in Kehl darauf verzichtet, das Mannheimer Urteil anzufechten und das Verbot „zähneknirschend“ wieder aus den Friedhofssatzungen gestrichen. „Wir hoffen sehr darauf, dass es bald ein vertrauenswürdiges Zertifikat für Steine gibt, und haben den Städtetag gebeten uns dabei zu unterstützen“, sagte eine Sprecherin der Stadt. Auch die Mehrzahl der anderen Kommunen hat das Verbot wieder rückgängig gemacht; der Gemeindetag hat seinen Mitgliedern dazu geraten. In Nussloch im Rhein-Neckar-Kreis hat sich der Rat allerdings geweigert. Jetzt muss die Rechtsaufsicht entscheiden, wie es weitergeht.

Auch etliche andere Kommunen wollen nicht einfach klein beigeben. Beim VGH sind nach Angaben eines Gerichtssprechers noch immer 16 Normenkontrollklagen anhängig; zu den Betroffenen zählen unter anderen Stuttgart, Mannheim und Lahr. Dort heißt es übereinstimmend, man habe eine etwas andere Formulierung als in Kehl in den Satzungen. „Deshalb sehen wir auch keine Veranlassung, jetzt auf die dortige Entscheidung zu reagieren, und wollen abwarten, wie der VGH bei uns entscheidet“, sagte Harald Aust, der Leiter des Stuttgarter Garten- und Friedhofsamtes. Möglicherweise setze sich das Gericht ja „anders als in Kehl“ mit dem Thema auseinander, hofft man in Lahr. „Gegebenenfalls wird auch der Gesetzgeber veranlasst, erneut tätig zu werden; uns geht es auch um ein politisches Signal zur Ächtung der Kinderarbeit“, sagte die Sprecherin des Rathauses. „Verwaltung und Gemeinderat haben sich einvernehmlich für das Verbot entschieden, das möchten wir jetzt auch nicht einfach ersatzlos wieder streichen“, sagt ihre Mannheimer Kollegin.

Die Innung sagt, es geben kein vertrauenswürdiges Zertifikat

„Die Frage ist, wer übernimmt die Verantwortung für ein vertrauenswürdiges Zertifikat“, erläutert Gustav Treulieb, der Obermeister der Landesinnung auf Anfrage. „Doch das Thema scheut die Politik wie der Teufel das Weihwasser“, bedauert er. Das VGH-Urteil helfe an dem Punkt auch nicht weiter. Der Verband suche daher gemeinsam mit Vertretern des Städte- und Gemeindetags nach Lösungen, im November wolle man sich treffen. Und warum verzichten die Steinmetze nicht einfach auf das umstrittene Material aus Indien oder China? „Wir empfehlen unseren Mitgliedern natürlich: nehmt Steine aus Europa, da wisst ihr, wo sie herkommen“, sagt Treulieb. „Aber verpflichten können wir keinen; da geht es um Arbeitsplätze und die Existenz von Betrieben.“ Wer handwerklich arbeite, verwende meist heimische Steine. „Doch preislich können Sie da nicht mithalten mit den Importprodukten“.