Im Rechtsstreit um verlustreiche Solaranlagen verliert die Stuttgarter Versicherung in zweiter Instanz gegen klagende Anleger: Sie sei nicht nur Finanzierer gewesen, sondern hätte auch über Risiken aufklären müssen, urteilt das OLG.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Andreas Müller (mül)

Stuttgart - Im Wirtschaftskrimi um Solaranlagen der Leonberger Firma Eurosolid, die Käufer mit unrealistischen Ertragsprognosen gelockt haben soll, hat die Stuttgarter Lebensversicherung vor dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart eine Niederlage erlitten. Der zuständige Zivilsenat wies ihre Berufung gegen mehrere Urteile des Landgerichts jetzt fast vollständig zurück und folgte damit seiner Linie aus der mündlichen Verhandlung.

 

Damit bleibt es dabei, dass die Kläger die Anlagen zurückgeben können, ihr Geld von der Versicherung zurückbekommen und die für den Kauf gewährten Darlehen nicht weiter bedienen müssen. Im Gegenzug müssen sie Grundstücksrechte und Rechte an Rentenversicherungen abgeben, was das OLG als „geringfügigen Erfolg“ für die Versicherung wertete. Revision gegen das Urteil ließ es nicht zu.

Nach Ansicht des Zivilsenates war die Versicherung – entgegen ihrer Darstellung – nicht als reine Darlehensgeberin aufgetreten. Sie habe vielmehr für das Anlagekonzept Werbung gemacht und den Eindruck erweckt, dieses geprüft zu haben. Daher hätte sie Anleger über die Risiken der Geldanlage aufklären müssen, folgerten die Richter. Insbesondere hätte sie darauf hinweisen müssen, dass das Konzept auf unüberprüften und – wie sich später herausstellte – technisch unzutreffenden Angaben von Eurosolid zu den erreichbaren Stromerträgen abhing. Weil diese Aufklärung unterblieben sei, schulde die Versicherung den Klägern Schadenersatz.

Kläger-Anwalt sieht sich ermutigt

Die „Stuttgarter“ drang damit nicht mit ihrer Argumentation durch, sie habe nur für sich als Finanzierer geworben. Ihr früherer Vizevorstandschef hatte die Zusammenarbeit mit der inzwischen insolventen Eurosolid überschwänglich gelobt und von einer „triple-win-Situation“ gesprochen. Diese Äußerungen ließ die Versicherung im Prozess relativieren: Es handele sich um „blumige Aussagen ohne nachprüfbaren Tatsachen-Gehalt“ und eine „ganz allgemein gehaltene Floskel“. Ein Sprecher der Versicherung sagte, man könne das Urteil erst kommentieren, wenn die schriftliche Begründung vorliege. Dann werde man auch entscheiden, ob man in Karlsruhe Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision einlege.

Der Anwalt der Kläger, Daniel Fingerle aus Leipzig, zeigte sich hochzufrieden mit dem Urteil: Es sei „für unsere geschädigten Mandanten wie Balsam auf der Seele“. Zugleich sei es richtungsweisend für die zahlreichen Verfahren, die bereits in erster Instanz anhängig seien oder derzeit vorbereitet würden. Leider müsse man weiter den Klageweg beschreiten, da die Versicherung weitere Vergleichsverhandlungen ablehne, sagte Fingerle. In der Verhandlung hatte ein Vertreter der Versicherung eine „Prozesslawine“ beklagt.