Lars und Meike Schlecker wurde die Tochtergesellschaft LDG zum Verhängnis. Die Verrechnung überhöhter Stundensätze und eine unrechtmäßige Gewinnausschüttung standen im Mittelpunkt des Verfahrens vor dem Landgericht Stuttgart.

Stuttgart - Ohne jede Regung haben die drei Angeklagten die Urteile von Richter Roderich Martis und die Urteilsbegründung aufgenommen. Anton Schlecker (73) in der ersten Reihe, zwischen seinen Anwälten, dahinter Sohn Lars (46), in der letzten Reihe seine Schwester Meike (44). Im Gegensatz zu ihrem Vater, der mit einer Bewährungsstrafe davongekommen ist, droht den beiden Kindern des einstigen Drogeriemarktkönigs nun eine Haftstrafe. Die Verteidigung will nun prüfen, ob sie Revision einlegt.

 

Die Kammer sah es als erwiesen an, dass alle drei Angeklagten, obwohl sie spätestens ab Ende Januar 2011 von der drohenden Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens wussten, in den folgenden Monaten Gelder in Millionenhöhe beiseitegeschafft und damit dem Zugriff der Gläubiger entzogen haben. Die Frage, ab wann genau diese Zahlungsunfähigkeit drohte, wurde im Verlauf der 28 Verhandlungstage seit Prozessbeginn im März mehrfach heiß diskutiert. Daraus ergibt sich, welche Straftaten das Gericht im Urteil berücksichtigt und welche aus der Anklage herausfallen.

Die Verteidigerseite und auch Anton Schlecker selbst hatten wiederholt beteuert, der heute 73-Jährige habe bis zum Schluss an eine Rettung seines Unternehmens geglaubt. Nach Ansicht des Gerichts musste ihm allerdings seit dem 1. Februar 2011, knapp ein Jahr vor der Insolvenzanmeldung, die Ausweglosigkeit seiner Lage bewusst gewesen sein. Die ihm ab diesem Tag vorliegende Bilanz wies einen Verlust von gut 186 Millionen Euro aus. „Er wusste, dass seine Firma am Ende war, hat aber weiter auf einen guten Ausgang gehofft“, sagte Martis. Ab diesem Zeitpunkt, so die Argumentation der Richter, sei mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 50 Prozent davon auszugehen gewesen, dass die Zahlungsunfähigkeit eintritt. Das begründet aus Gerichtssicht den Vorsatz.

Logistikgesellschaft hatte laut dem Richter „zwei Gesichter“

Die schwerwiegendsten Bankrottstraftaten, für die die drei Familienmitglieder nun verurteilt worden sind, drehen sich um die Logistikfirma LDG GmbH, deren Gesellschafter Lars und Meike Schlecker waren. Die LDG hatte nach den Worten von Richter Martis „zwei Gesichter“. Sie sei rein rechtlich gesehen eine selbstständige Gesellschaft gewesen, auf die die Gläubiger der Anton Schlecker e. K. keinen Zugriff gehabt hätten. Auf der anderen Seite „wurde sie geführt wie eine unselbstständige Tochtergesellschaft“, so der Richter. In diesem Sinne sei die LDG ein „Personaldienstleister ohne eigenes Anlagevermögen“ gewesen. Die formellen Geschäftsführer der Logistikgesellschaft waren nach Ansicht des Gerichts lediglich Betriebsleiter, die den Personaleinsatz koordinierten. Sie hätten keine weiteren Befugnisse und auch keinen tieferen Einblick in die wirtschaftliche Situation gehabt. Alle wesentlichen Entscheidungen seien von Lars und Meike Schlecker in Absprache mit ihrem Vater Anton Schlecker getroffen worden. Beide sind nach Ansicht des Gerichts „faktisch die Geschäftsführer der LDG“ gewesen.

Die schwerwiegendste Tat, die beiden zur Last gelegt worden ist, ist eine unrechtmäßige Gewinnausschüttung vom 20. Januar 2012, nur drei Tage vor der Insolvenz des Mutterunternehmens, in Höhe von sieben Millionen Euro auf ihr Privatkonto. Die Richter sahen es als erwiesen an, dass die beiden die Logistiktochter damit in die Zahlungsunfähigkeit getrieben haben. „Mit dieser Überweisung war die LDG insolvenzreif“, so Martis. Das Unternehmen habe zum Zeitpunkt der Ausschüttung lediglich über ein Eigenkapital von rund 860 000 Euro verfügt, für die Richter ist somit ein Schaden von mehr als 6 Millionen Euro entstanden, und es war klar, dass man zum Ende des Monats Januar die Löhne und Gehälter nicht mehr zahlen konnte.

Die Rückzahlung des Geldes kam lange Zeit nicht in Frage

„Beide Angeklagte haben studiert. Ihnen kann nicht verborgen bleiben, dass der Insolvenzverwalter die Summe zurückfordern wird“, führte der Richter aus. Weder vor noch in unmittelbarer Folge der LDG-Insolvenz im Sommer 2012 seien die beiden Angeklagten „auf die Idee gekommen, man hätte die sieben Millionen Euro zurückzahlen können“, mahnte Matis an. Erst als der Insolvenzverwalter das Geld zurückgefordert habe, sei es Anfang 2013 zum „Schuldeingeständnis“ und später auch zur Rückzahlung gekommen.

Während die Gewinnausschüttung nur Lars und Meike Schlecker zum Verhängnis wurde, sollen sie eine weitere Bankrottstraftat gemeinsam mit ihrem Vater begangen haben: Durch überhöhte Stundensätze, die die LDG Schlecker jahrelang in Rechnung stellte, sind nach Ansicht des Gerichts mehrere Millionen Euro unrechtmäßig beiseitegeschafft worden. Vertretbar wäre aus Sicht der Richter ein Verrechnungssatz von 17,77 Euro gewesen. Die LDG rechnete aber 28,50 Euro ab. Dadurch sei eine Gewinnmarge von bis zu 50 Prozent entstanden. Bei seinen Läden und Lieferanten sei Schlecker alles andere als großzügig gewesen. Dass er es ausgerechnet bei der Logistiktochter war, sei „außergewöhnlich und nur erklärbar durch bewusstes Abziehen von Geldern“.