In großem Stil spähen die USA international die Kommunikation aus. Die deutsche Spionageabwehr soll nichts gemerkt haben, weil sie selbst Bündnispartner nicht im Visier hat.

Titelteam Stuttgarter Zeitung: Armin Käfer (kä)

Berlin - Noch sind die Fragen der deutschen Regierung an die Sicherheitsbehörden der USA nicht beantwortet. Noch hat das von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) avisierte Telefonat mit dem amerikanischen Präsidenten Barack Obama wegen der Spionageaffäre nicht stattgefunden. In Sachen Aufklärung gebe es zwar Fortschritte, versichert Regierungssprecher Steffen Seibert, fügt aber hinzu: „Bei der Organisierung des Prozesses“.

 

Wie man sich diesen Aufklärungsprozess vorstellen muss, erklärt Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU): Es fänden Gespräche „auf allen Ebenen“ statt. Demnächst werde eine Delegation „auf Unterabteilungsleiter-Ebene“ in die USA reisen, um sich dort über das Ausmaß der Überwachungsaktionen ausführlich informieren zu lassen. Von maßgeblicheren Ebenen ist dann nicht mehr die Rede. Friedrich hält es gleichwohl schon jetzt für geboten, die mutmaßlichen Verstöße gegen die Grundrechte und die Souveränität europäischer Staaten durch amerikanische Spionage zu relativieren. Im Grunde hätten die Amerikaner wohl „das getan, was viele Dienste tun“. Der CSU-Mann betont zudem, er sei „sehr optimistisch“, dass sich herausstellen werde, für die grenzüberschreitende Überwachung gebe es eine rechtsstaatliche Basis.

Ein blinder Fleck der deutschen Geheimdienste

Auch bei der internen Aufklärung gibt es wenig neue Erkenntnisse. Das Parlamentarische Gremium zur Kontrolle der Geheimdienste hörte dazu den Chef des Kanzleramtes, Ronald Pofalla, sowie unter anderem den Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen. Die Ergebnisse sind offenbar dürftig. Die Bundesregierung und die deutschen Sicherheitsbehörden wollen nichts von Spähangriffen des amerikanischen Geheimdienstes NSA gewusst haben. So deutete der Vorsitzende des Kontrollgremium, Thomas Oppermann (SPD), die Auskünfte der Regierungsvertreter. Wenn das stimme, gebe es eine klare Schutzlücke, sagte er. Der Grünen-Abgeordnete Hans-Christian Ströbele kritisierte, die Regierung lasse es an den notwendigen Bemühungen zur Aufklärung der Vorgänge mangeln.

Nach Informationen aus dem Gremium spricht vieles für einen blinden Fleck der deutschen Geheimdienste. „Die Spionageabwehr war nicht auf befreundete Staaten fokussiert“, sagt ein Mitglied des geheim tagenden Kontrollorgans. Nach den Worten des CDU-Abgeordneten Clemens Binninger gibt es keine Hinweise auf „Datenableitungen“ von deutschem Boden aus. Solche Daten könnten aber auch außerhalb des Zuständigkeitsbereichs deutscher Behörden abgegriffen worden sein. Damit wären die Vorwürfe gegen die Sicherheitsbehörden unseriös. Der FDP-Sicherheitsexperte Hartfrid Wolff warnte zudem vor einem „Wettrüsten von Spionage und Spionageabwehr“. Das verbiete sich zwischen verbündeten Staaten. Verfassungsschutzpräsident Maaßen sagte dazu: „Eine systematische Aufklärung unserer Nato-Partner hat nicht stattgefunden und wird auch in Zukunft nicht stattfinden.“ Seine Behörde habe „keine eigenen Erkenntnisse“ für die Überwachungsaktionen von US-Geheimdiensten. Maaßen betonte zudem, Deutschland werde auch in Zukunft auf Informationen aus amerikanischen Quellen angewiesen sein, um extremistische Bestrebungen zu unterbinden.

Keine Obhut für Snowden auf deutschem Boden

Die Bundesregierung rechtfertigte ihre Entscheidung, dem NSA-Dissidenten Edward Snowden keine Obhut auf deutschem Boden zu gewähren. „Die Voraussetzungen für die Aufnahme von Herrn Snowden liegen nicht vor“, sagte der liberale Außenminister Guido Westerwelle. Zudem habe Russland Snowdon ein Bleiberecht angeboten. Ein Sprecher des Auswärtigen Amtes ergänzte, die Bundesregierung sei der Auffassung, dass in diesem Fall keine Notlage eines Menschen vorliege. Niemand könne bezweifeln, dass Snowden bei einer Rückkehr in die USA alle Möglichkeiten eines rechtsstaatlichen Verfahrens hätte.

Bei den Sozialdemokraten gibt es dafür Verständnis. Der sozialdemokratische Innenexperte Dieter Wiefelspütz sieht keinen Grund, Snowden Asyl zu gewähren. „Ich kann nicht erkennen, dass der Mann politisch verfolgt wird“, sagte er. „Er ist vielleicht ein Held der Freiheit. Das schützt aber nicht vor den rechtlichen Konsequenzen.“ Jürgen Trittin, der Fraktionschef der Grünen, kommt allerdings zu einem grundsätzlich anderen Urteil. Er zeigt sich empört und sagt: Das Verhalten der Bundesregierung im Fall Snowdon „ist eine Schande für Deutschland, ist eine Schande für Europa, ist eine Schande für die Demokratie“.