Als „Israelroman“ und als „Scheidungsroman“ hat die amerikanische Presse Jonathan Safran Foers dritten Roman „Hier bin ich“ bezeichnet. Ein Gespräch mit dem Bestsellerautor über das Judentum, die Ehe und den Broccoli-Bedarf von Kindern.

New York - Das Interview findet in Jonathan Safran Foers Haus in Brooklyn statt. Der 39-Jährige tappt in Socken voraus, was nicht ganz zur großbürgerlichen Atmosphäre des Salons passt, in den der Autor seinen Besucher führt. Er setzt sich in einen der Vintage-Designersessel vors maßgeschreinerte Bücherregal. Darin liegt ein Band des amerikanischen Künstlers R.B. Kitaj, der bei einem Porträt des Schriftstellers Philip Roth aufgeschlagen ist. Dem großen Vorbild entsprechend gibt sich Foer getragen und weihevoll, als müsse er das Image des naiven Wunderkinds ein für allemal loswerden, das ihm seit seinem Erfolgsdebüt „Alles ist erleuchtet“ (2002) anhängt.

 
Sie leben hier in Brooklyn nur ein halbes Dutzend U-Bahnstationen vom chassidischen Viertel Borough Park entfernt. Was verbindet Sie mit den ultraorthodoxen Juden?
Außer Genen und einer Geschichte? Nichts. Ich lebe nicht so wie sie, ich bete nicht so wie sie, ich wähle nicht so wie sie. Dennoch bilden diese Gene und diese Geschichte die Grundlage für eine gemeinsame Identität.
Diese Identität ist eines der Themen in Ihrem neuen Roman „Hier bin ich“. Was also macht einen Juden zum Juden?
So etwas wie einen Juden gibt es nicht. Die Schriftstellerin Lynne Tillman hat einen wunderbaren Essay mit dem Titel „Nothing Is Good for Jews“ („Nichts ist gut für die Juden“) geschrieben. Was sie meinte, war nicht, dass für die Juden nichts gut genug ist. Sie meinte, dass man sich unmöglich etwas vorstellen kann, dem alle Juden zustimmen würden, weil es so viele verschiedene Arten von Juden gibt. Ich gebe zu, dass „Hier bin ich“ eine Menge Fragen zum Judentum aufwirft. Aber ich glaube nicht, dass der Roman viele Antworten enthält.
Weil Sie keine haben?
Ich weiche Ihrer Frage nicht aus, wenn ich sage, dass meine Antwort im Chor der Stimmen besteht, die in „Hier bin ich“ zu Wort kommen. Meine Antwort besteht in den zahlreichen Antworten und Nicht-Antworten dieses Romans.
Zum Beispiel was Israel betrifft? In „Hier bin ich“ droht dem Staat der Untergang. Der Protagonist Jacob glaubt deshalb, sich über seine eigene Stellung zum „Heiligen Land“ klar werden zu müssen.
Was Israel betrifft, habe ich oft das Gefühl, durch einen Sturm der Argumente zu steuern. Ich bin nicht naiv und ziehe manche Argumente anderen durchaus vor. Aber als Schriftsteller bin ich politischen Meinungen gegenüber misstrauisch. Es geht nicht darum zu verkünden: „Israel muss sich sofort aus dem Westjordanland zurückziehen.“ Oder: „Die Hauptstadt von Jerusalem muss Tel Aviv sein.“ Oder: „Netanjahu ist ein Kriegsverbrecher.“ Es ist viel komplizierter. Wie kompliziert, versuche ich in „Hier bin ich“ zu zeigen. Meine primäre Identität und die, in der ich mich am wohlsten fühle, ist die des Schriftstellers. Als solcher versuche ich, die Welt immer aus einer Vielzahl von Blickwinkeln zu betrachten und zu beschreiben, nie nur aus einem einzelnen.
Dennoch ist „Hier bin ich“ insofern spezifisch, als Sie mit der Familie Bloch den Typus der amerikanischen Juden schildern, die, so schreiben Sie, „bis auf die Ausübung ihres Glaubens alles tun, um ihren Kindern ein Gefühl für die jüdische Herkunft zu vermitteln“. Sind Sie einer dieser Juden?
Das sind die Juden, unter denen ich aufgewachsen bin. Noch einmal: Wir sollten uns vor Pauschalisierungen hüten. Für jeden amerikanischen Juden, den ich beschreibe, gibt es tausend andere, auf welche diese Beschreibung nicht zutrifft. Aber er existiert tatsächlich, der Typ, der höchstens zweimal im Jahr in die Synagoge geht, der nie Schweinefleisch essen würde, aber mit Garnelen kein Problem hat, der Typ, der sich für die Accessoires des Judentums interessiert, aber nicht für die Praxis.