Der Barfuß-Bandit Colton Harris-Moore, der Flugzeuge stahl und unter dem Beifall von Fans die Polizei narrte, steht nun in Seattle vor Gericht.

Seattle - Als Colton Harris-Moore sein Abenteuer im April 2008 begann, war ihm einfach nur langweilig. Er wollte raus aus der Jugendstrafanstalt, wo er bereits mit zwölf Jahren das erste Mal eingeliefert worden war. Jetzt, mit 18 und der Perspektive auf noch mal drei Jahre in Haft, wollte er endlich etwas von der Welt sehen - etwa anderes als sein problematisches Zuhause, in dem er von seinem Stiefvater verprügelt wurde; etwas anderes als den beengten Radius von Puget Sound nördlich von Seattle.

 

Er stiebitzte sich davon und wurde erst gut zwei Jahre später, am 4. Juli 2010, auf den Bahamas festgenommen. Inzwischen war er als "Barfuß-Bandit" weltberühmt geworden. Mehr als 43.000 Fans feuerten ihn über Facebook auf seiner atemberaubenden Flucht vor der Polizei an. Sie führte ihn über Stock, Stein und Wolken: Ohne jemals geübt zu haben, steuerte er gestohlene Flugzeuge - bis zu seiner Bruchlandung auf den Bahamas.

Jetzt sitzt der 1,98 Meter große Colton Harris-Moore in einer Gefängniszelle in Seattle. Am 16. Dezember soll die nächste Anhörung in seinem Prozess stattfinden, in der er wegen insgesamt 40 Diebstählen in Washington, Idaho, South Dakota, Indiana, Oregon und Kanada angeklagt wird. Eigentlich sollen es sogar mehr als hundert Taten sein. Am 27. Januar 2012 will das Gericht das Urteil verkünden. Colton Harris-Moore muss damit rechnen, gut ein Jahrzehnt im Gefängnis zu verbringen - sein Anwalt hofft noch darauf, eine Strafe von neun Jahren aushandeln zu können.

Colton Harris-Moore tanzte der Polizei auf der Nase herum

Colton Harris-Moore war kein gewöhnlicher Dieb. Seinen Spitznamen Barfuß-Bandit bekam er, weil er bei einigen Taten keine Schuhe trug. Einmal hinterließ er 39 Fußabdrücke mit Magnesium sowie den Abschiedsgruß "c'ya", was übersetzt so etwas wie "wir sehen uns" bedeutet. Trotz alledem war er öfter in Schuhen als barfuß unterwegs.

Die Polizei hatte ihn bald auf dem Kieker, war doch mehr als offensichtlich, dass er den Ordnungshütern auf der Nase herumtanzte. Er stahl Fahrräder, Autos, Motorboote und kleine Flugzeuge. Das Fliegen soll er sich mit einer Übungs-DVD und Computerspielen selbst beigebracht haben. Er flog eine 150.000 Dollar teure Cessna und landete in einem Indianerreservat auf einem Feld, was dem Flugzeug nicht gut bekam.

Als die Polizisten das Wrack begutachteten, war der Barfuß-Bandit schon längst über alle Berge - ganz wie Frank Abagnale in Steven Spielbergs Film "Catch me if you can". Mal ließ er 100 Dollar in einer Tierklinik in Raymond, Washington zurück, mit der handgeschriebenen Notiz "Kam gerade vorbei und hatte etwas Bargeld übrig. Verwendet es für die Pflege der Tiere - Colton Harris-Moore, der Barfuß-Bandit". Obwohl er eine Spur von gestohlene, leer gefahrenen und verbeulten Fahrzeugen zurückließ, schafften es die Sheriffs dennoch lange nicht, ihn zu fassen.

Bei Festnahme Selbstmord

Die Fans seiner Facebook-Seite bestärkten ihn auf seiner Flucht vor der Polizei. "Flieg, Colton, flieg", feuerten sie ihn. Sogar mehrere Fan-T-Shirts mit Aufschriften wie "Meine Mutter hat alles versucht" waren im Umlauf. Dabei stahl er häufig nur, was er gerade zum Leben brauchte: Er brach in Häuser ein, um mal wieder ein heißes Bad zu nehmen oder die Eiscremeschachteln leer zu essen. Weil er jedoch auch einen Überfall mit einer Waffe beging, muss er seine Strafe in einem Staatsgefängnis verbüßen - mit schlechten Aussichten, vorzeitig entlassen zu werden.

Am 4. Juli 2010 wurde eine Cessna 400 in Bloomingdale, Indiana, als gestohlen gemeldet. Später tauchte die Maschine total beschädigt im Uferbereich der Great-Abaco-Insel auf den Bahamas auf. Kurz darauf verzeichnete die Inselpolizei auffallend viele Einbrüche: der Barfuß-Bandit ließ grüßen. Die königlichen Beamten machten kurzen Prozess. Sie hängten überall auf der Insel Poster mit dem Foto des Gesuchten auf. Bereits zwei Tage später meldete ein Barkeeper, Harris-Moore gesehen zu haben: Er habe eine Kappe getragen, tief ins Gesicht gezogen. Und er sei barfuß gewesen.

Filmreif war zu guter Letzt auch seine Festnahme am 11. Juli 2010. In der Dämmerung versuchte Colton Harris-Moore, mit einem gestohlenen Boot zu fliehen. Doch ein Polizist traf mit einer Kugel den Motor. Der Barfuß-Bandit schmiss daraufhin seinen Laptop ins Meer und richtete die Waffe gegen sich selbst. Beamte redeten ihm den Suizid aus; später erzählte er ihnen, dass er nach Kuba fliehen habe wollen, um seine Spuren zu verwischen

Colton sorgt sich um nicht versicherte Opfer

Seitdem ist es ein bisschen ruhiger geworden um Harris-Moore. Er hat seine irre Geschichte für 1,5 Millionen Dollar verkauft, die Summe wird aber wohl für Schadenersatzforderungen draufgehen: "Er war nicht cool, er macht sich Gedanken, dass manche Opfer nicht versichert waren", erklärt sein Anwalt. Im Juni gestand Colton Harris-Moore vor Gericht alle Anklagepunkte ein. "Das ist ein erster Schritt, Verantwortung zu übernehmen", lobte die Staatsanwältin. Doch Anstaltspsychiater berichten auch, dass der Barfuß-Bandit an Depressionen und einem Aufmerksamkeitsdefizit leidet.

Seine Mutter hatte ihn während der ganzen Flucht unterstützt, ihm Geld geschickt und darauf gehofft, dass er in ein Land fliehen würde, das kein Auslieferungsabkommen mit dem USA hat. Doch dieses eine entscheidende Mal waren die Polizisten schnell genug.