Die Gesundheitsreform ist eines der wichtigsten Projekte von Präsident Obama gewesen. Doch das Programm ist kurz davor zu implodieren.

Washington - Der Jubel war groß. Zumindest bei linksliberalen Amerikanern. US-Präsident Barack Obama hatte gleich im ersten Jahr seiner Präsidentschaft eine umfassende Gesundheitsreform durch den damals mehrheitlich demokratischen Kongress geboxt. Inzwischen ist Ernüchterung eingetreten. Versicherte erhalten nur wenige Leistungen. Wer wirklich ein medizinisches Problem hat und mit Obamacare versichert ist, der hat ein wirkliches Problem. Medizinische Notversorgung ist noch beinahe eine Übertreibung für die Leistungen, die Obamacare-Versicherungen gewährleisten. Wenn sich Therapien, Diagnosemethoden oder Verschreibungen vermeiden lassen, werden sie auch vermieden. Auf Spezialistentermine wartet man Monate. Und wenn man dann endlich drankommt, trägt man einen Großteil der Kosten oft trotzdem noch selbst. So schrieb der Kolumnist David Brooks in der „New York Times“: „Obamacare stellt sich nicht annähernd als jene umfassende Reform des amerikanischen Gesundheitswesens heraus, als die sie gedacht war.“

 

Kern des Affordable Care Act, wie das Obamacare-Gesetz richtig heißt, waren sogenannte Versicherungsbörsen der Einzelstaaten. Die Versicherungsgesellschaften waren angehalten, günstige Produkte für diese Börsen zu entwickeln. Auf den staatlichen Internetseiten konnte der Verbraucher diese Policen vergleichen und sich die beste aussuchen. Für bestimmte Einkommensgruppen waren staatliche Zuschüsse verfügbar. Die Idee schien damals sinnvoll, es war ein guter Kompromiss zwischen freier Marktwirtschaft und umfassender Versorgung. Doch in ihrer vierten Saison stehen diese Börsen vor einer Katastrophe. Mehr als 75 Prozent der Versicherungen, die dort angeboten werden, schreiben Verluste. Die Versicherungsbranche verlor 2014 insgesamt 2,7 Milliarden Dollar (2,4 Milliarden Euro) mit Obamacare-Policen. 2015 waren es schon beinahe zweimal so viel. Für 2017 haben viele Versicherer den Ausstieg angekündigt.

Zu wenig Versicherte

Das größte Problem für die Obamacare-Börsen war nach Ansicht des Online-Magazins „Politico“, dass sich nicht genügend Bürger beteiligt haben. Nur insgesamt zwölf Millionen Amerikaner haben ihre Versicherung über die Obamacare-Börse erworben, eindeutig zu wenig, um das Programm für die Versicherer profitabel zu machen. Hinzu kommt, dass diejenigen, die daran teilnehmen, die Verluste für die Versicherer in die Höhe treiben. Die Menschen, die sich an Obamacare beteiligen, sind vorwiegend älter und haben eine medizinische Vorgeschichte. Junge Menschen, die einzahlen, aber wenige Leistungen benötigen, ziehen es vor, die viel zu milden Strafgebühren zu zahlen.

Der inzwischen mehrheitlich republikanische Kongress erleichterte die Dinge nicht gerade. Die Konservativen blockierten in den vergangenen zwei Jahren sämtliche Subventionszahlungen an die Versicherungen, die durch das Gesetz vorgesehen waren. So ist das Projekt, allen Amerikanern eine bezahlbare, umfassende Gesundheitsversorgung zu gewährleisten, vorläufig gescheitert. Noch immer haben mehr als 20 Millionen Amerikaner keine Krankenversicherung. Laut „Politico“ ist es dennoch weiterhin theoretisch möglich, das Ziel der umfassenden Versorgung zu erreichen, doch „nur wenn die Gesetzgeber an einem Strang ziehen“. Das ist jedoch unabhängig vom Ausgang der bevorstehenden Wahl kaum zu erwarten. So möchte Donald Trump das Obamacare-Gesetz völlig abschaffen und zur freien Marktwirtschaft zurückkehren. Hillary Clintons Pläne, Obamacare auszubauen, dürften in Washington auf erbitterte Widerstände stoßen. Wie man es dreht und wendet – wirkliche Gesundheitsversorgung für alle und der freie Markt vertragen sich in Amerika scheinbar nicht.