Deutschland kann auf stabile Wirtschaftsbeziehungen zu den USA hoffen – doch die Unberechenbarkeit des künftigen Präsidenten birgt Risiken.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Stuttgart - Was bedeutet Donald Trump für die Wirtschaft – insbesondere in Europa? Einerseits hat der künftige US-Präsident seine Anhänger mit Tiraden gegen den Freihandel mobilisiert und sich der Parole „Amerika zuerst“ verschrieben. Andererseits ist Trump ein in der Wolle gefärbter Mann aus der Wirtschaft mit globalen Interessen.

 

Sein künftiges Kabinett ist von radikal deregulierungsfreundlichen und wirtschaftsliberalen Personen geprägt. Die Finanzmärkte geben Trump bisher noch einen Vertrauensvorschuss. Das Verbrauchervertrauen in den USA hat kurz vor dem Jahreswechsel hohe Werte erreicht – was Trump per Tweet prompt zu seinem persönlichen Erfolg erklärt hat.

Bei einer von der US-Bank JP Morgan in Auftrag gegebenen Umfrage unter 1900 deutschen Firmen in den USA zeigte sich kurz nach den Präsidentschaftswahlen eine gewisse Verunsicherung. Doch bei ihren eigenen Perspektiven zeigten sich die deutschen Firmen optimistisch. 85 Prozent wollen im kommenden Jahr ihre Belegschaft in den USA aufstocken. Nur zwei Prozent der Unternehmen haben ihre Geschäftserwartungen für 2017 heruntergeschraubt. Und nur ein Prozent sah das US-Geschäft künftig als weniger wichtig an.

Der scheidende Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie (BDI), Ulrich Grillo, ist sogar beim Thema Freihandel zuversichtlich– zumindest, was das transatlantische Freihandelsabkommen TTIP angeht. „Amerika ist nicht autark“, sagte er: „Deshalb bin ich optimistisch, dass Trump über kurz oder lang TTIP wieder aus der Schublade holt.

Europa und Deutschland hat Trump wenig erwähnt

Wer die bisher ergiebigste Quelle für Trumps Denken, seine Twitternachrichten analysiert, der stellt in der Tat fest, dass Europa und TTIP bei seinen Attacken gegen den freien Handel nie aufgetaucht sind. Das nordamerikanische Freihandelsabkommen Nafta sowie China sind hier die Sündenböcke. Mexiko und China sind für die USA ganz andere Konkurrenten als Deutschland. Sie ziehen vor allem wegen ihrer niedrigen Produktionskosten Ar-beitsplätze aus den USA ab.

Deutsche Firmen punkten hingegen durch Technologie. Deutsche Ingenieurskompetenz und Zwischenprodukte sind wichtige Bestandteile für die Lieferkette von US-Unternehmen. Die deutsche Wirtschaft exportiert viele Investitionsgüter, die dabei helfen könnten, dass die Produktion in den USA konkurrenzfähig bleibt oder wird. Die deutsche Wirtschaft ist zudem als Investor und Arbeitgeber in den USA viel stärker vertreten als etwa China. Was die Qualifizierung von Arbeitern angeht – eine wichtige Klientel von Trump – haben deutsche Firmen in den USA ebenfalls bisher einen guten Ruf.

Dank ihrer US-Präsenz sind deutsche Firmen auch als mögliche Profiteure eines Trump’schen Infrastrukturprogramms gewappnet. Bei öffentlichen Aufträgen gilt in den USA schon immer das Prinzip „kaufe amerikanisch“. Wenn es etwa um den Ausbau des öffentlichen Verkehrs oder um Lokomotiven für den quasi-staatlichen Bahnanbieter Amtrak ging, trumpfte etwa der deutsche Konzern Siemens mit seinen Produktionsstandorten in den USA auf. In Imagekampagnen zeigten die Deutschen Flagge, um dies auch im Bewusstsein der Öffentlichkeit zu verankern.

Der künftige Präsident sieht die EU skeptisch

Doch Vorsicht ist angebracht. Trump liebäugelt beispielsweise mit einer Importsteuer, die unter anderem angebliche Nachteile ausgleichen soll, die aus der Tatsache entstehen, dass es in den USA keine Mehrwertsteuer gibt, in Deutschland und Europa hingegen schon. Wenn eine US-Firma Waren nach Europa ausführt, muss sie dort Mehrwertsteuer abführen, eine europäische Firma muss dies beim Export in umgekehrter Richtung nicht tun. Die meisten Ökonomen verneinen allerdings, dass dies den Wettbewerb verzerrt. Beim Kauf zahlt nämlich der Verbraucher in Europa die Steuer und in den USA zahlt er sie nicht – egal wo das Produkt im Regal herkommt. Aber es reicht, wenn der künftige Präsident in einer solchen Importsteuer eine Chance zur Profilierung sieht

Ein weiteres Risiko ist Trumps Neigung, einzelne Firmen an den Pranger zu stellen. Er attackierte eine Firma in Indiana wegen der Verlagerung von Arbeitsplätzen oder kritisierte Boeing wegen zu hoher Kosten für den künftigen Präsidentenjumbo. VW kann von Glück reden, dass Trump das Thema Umweltschutz nicht sehr am Herzen liegt. Der Dieselskandal wäre ein perfektes Objekt für Tweet-Attacken.

Unberechenbar ist auch Trumps Haltung zur EU. Das Internet-Politikportal Talkingpointsmemo hat recherchiert, dass Trump-Strategen wie der rechtspopulistische Berater Steve Bannon in Handelsfragen einen Hebel sehen, um die EU zu erschüttern. Ein eigenes Freihandelsabkommen mit Großbritannien solle den Brexit abfedern und demonstrativ ein Zeichen setzen: „Trump hofft dann, im Folgenden das Modell des Abkommens mit Großbritannien zu nutzen, um separate bilaterale Handelsabkommen zu schließen.“ Das ist bisher in der EU allerdings tabu.

Doch in einer geschwächten Europäischen Union könnte das Unmögliche möglich werden. Auch Kontakte mit radikalen Europaskeptikern der FPÖ aus Österreich oder die Sympathien für nationalistische Parteien bis hin zum Front National in Frankreich, lassen Zweifel daran aufkommen, dass der künftige US-Präsident gegenüber Europa eine konstruktive Politik betreiben wird.

Dass die Börse bisher positiv auf Trump reagiert hat, ist kein nachhaltiger Indikator. Trump setzt bei den Finanzmärkten auf Deregulierung. Allein drei Positionen in der Trump-Administration, darunter das Finanzministerium und die Leitung seines Wirtschaftsrats, gingen an bisherige Banker des Wall-Street-Instituts Goldman Sachs. Dazu kommen im Kabinett bisher fünf Milliardäre. Die Finanzmärkte feiern also vor allem ihre eigenen Profitchancen, weniger die Zukunft der US-Wirtschaft als Ganzes – und haben im Jahresendspurt auch etwas geschwächelt. Insgesamt liegt das Risiko von Donald Trump weniger in wirtschaftspolitischen Details, sondern in seiner Unberechenbarkeit. Wirtschaft braucht Vertrauen. Trump fördert es nicht.