Geld soll es nur für massive Abstriche bei Obamas Gesundheitsreform geben. Das ist die Forderung der Republikaner im Streit um das US-Budget. Obama will hart bleiben, auch wenn er womöglich den Staatsapparat teilweise stilllegen muss.

Washington - Harry Reid, der demokratische Mehrheitsführer im US-Senat, klang durchaus verzweifelt, als er am Wochenende sagte: „Nach Wochen unsinniger politischer Spiele der Republikaner stehen wir immer noch am Anfang.“ Und in der Tat schien sich am Sonntag kein Ausweg aus dem erbittert geführten Parteienstreit über den US-Haushalt aufzutun. Im Gegenteil: es wurde immer wahrscheinlicher, dass der US-Regierung am 1. Oktober das Geld ausgeht.

 

Hunderttausende von Beschäftigten im öffentlichen Dienst des Bundes müssten dann in den Zwangsurlaub, mehr als eine Million Angestellter müsste vorerst ohne Bezahlung arbeiten, Museen und Nationalparks müssten schließen. Wichtige Einrichtungen wie Polizei, Rettungsdienste und Flugleitzentralen würden ausgespart.

Die dramatische Zuspitzung des Streits ging auf neue Bedingungen zurück, welche die Republikaner im Repräsentantenhaus in einer Sondersitzung am Wochenende stellten. Demnach wollen die Konservativen, die in der unteren Parlamentskammer die Mehrheit stellen, zwar einem Übergangshaushalt zustimmen, der bis zum 15. November gelten soll. Allerdings müsse dafür die Einführung der von ihnen als „Obamacare“ denunzierten Gesundheitsreform um ein Jahr verschoben werden. Das war jedoch ein Vorschlag, den die Demokraten, die im Senat die Mehrheit haben, am Sonntag prompt ablehnten.

Weil aber beide Häuser des US-Kongresses das Staatsbudget billigen müssen und niemand wusste, wie eine Einigung bis Montag um Mitternacht amerikanischer Ostküstenzeit erreicht werden kann, droht nun die Zahlungsunfähigkeit der Regierung. Das wäre das erste Mal seit der Jahreswende 1995/96. Damals musste die US-Regierung unter dem demokratischen Präsidenten Bill Clinton etwa drei Wochen ohne Budgetplan arbeiten.

Präsident Barack Obama versuchte, noch in letzter Minute in den Konflikt einzugreifen. In seiner wöchentlichen Rundfunkrede sagte er am Samstag, es sei die Pflicht des Parlaments, einen Haushalt zu verabschieden. Es schade nicht nur der Regierung, wenn sie lahmgelegt werde. Es schade vor allem der Wirtschaft in den USA, sagte Obama: „Das amerikanische Volk hat zu hart gearbeitet, um aus der Krise zu kommen, um nun Extremisten im Kongress zuzusehen, wie sie eine weitere Krise verursachen.“ Die Aktien- und Devisenmärkte reagierten zuletzt ebenfalls mit Abschlägen auf das politische Patt. Das größte Hindernis, das Demokraten und Republikaner überwinden müssen, ist der erbitterte Streit über die Gesundheitsreform. Sie ist das wichtigste Reformprojekt des Präsidenten und soll am 1. Oktober in Kraft treten. Sie wird bis zu 50 Millionen Amerikanern erstmals einen Versicherungsschutz bieten. Obama sagte bereits mehrfach, es gebe keine Verbindung zwischen dem Haushaltsstreit und dieser Reform.

Fundamentalisten haben bei den Republikanern die Oberhand

Das beeindruckte jedoch die Republikaner bisher nicht. Sie sehen in „Obamacare“ einen massiven und unnötigen Eingriff des Staates in die Gesundheitsvorsorge. Versicherungsprämien würden wegen der Reform deutlich ansteigen, sagen sie. Umstritten ist vor allem eine Vorschrift innerhalb der geplanten Gesundheitsreform. Vom kommenden Jahr an müssten US-Bürger, die keine Versicherung abschließen, ein Bußgeld bezahlen. Dagegen läuft der radikale Tea-Party-Flügel innerhalb der republikanischen Partei Sturm. Den Fundamentalisten gelang es in den vergangenen Tagen, jeden Kompromissvorschlag ihrer moderaten Parteikollegen abzuschmettern. Die demokratische Seite sprach davon, dass einige wenige Ideologen das gesamte Land in Geiselhaft nehmen.

Selbst wenn es überraschend in den nächsten Stunden noch zu einer Einigung über den Haushalt kommen sollte, steht die nächste Schlacht um die Staatsfinanzen schon kurz bevor. Mitte Oktober erreichen die USA die selbst gesteckte Schuldenobergrenze von 16,7 Billionen US-Dollar. Wird diese nicht – wie regelmäßig in den vergangenen Jahren – angehoben, dann könnte das die Zahlungsunfähigkeit bedeuten.