Seit 1928 ist Barack Obama der erste US-Präsident, der Kuba besucht. Mit seiner Visite geht der Jahrzehnte lange Kalte Krieg zu Ende.

Korrespondenten: Klaus Ehringfeld (ehr)

Havanna - Bevor Präsident Barack Obama und Staatschef Raúl Castro überraschend am 17. Dezember 2014 verkündeten, dass Kuba und die USA nun gute Freunde sein würden, galten beide Staaten als heftigste Feinde. Mehr als ein halbes Jahrhundert pflegten sie ihre Frontstellung: Wirtschaftsembargo, Schweinebucht, Kuba-Krise, Helms-Burton, der Waisenjunge Elián – Namen, Begriffe und historische Ereignisse, hinter denen sich Konflikte und Krisen verstecken, die nicht nur die beiden Länder betrafen, sondern die Welt bis an den Rand eines Dritten Weltkriegs brachten. Der Konflikt zwischen Kuba und den USA war der längste Stellvertreterkonflikt im Kalten Krieg und überdauerte diesen beträchtlich. Starrsinn, Revanchismus und bisweilen Hass dominierten über Jahrzehnte das Verhältnis. Nun scheint Vernunft die Oberhand zu gewinnen.

 

Nach der Revolution 1959 haben die USA mit allen Mitteln versucht, die kommunistische Regierung in ihrer unmittelbaren Nähe zu stürzen. Ein Satellit Moskaus kaum 150 Kilometer vor Florida – das war in Zeiten des Kalten Kriegs eine nicht tolerierbare Vorstellung. Fidel Castro, kubanischer Revolutionsführer im Ruhestand, behauptet, in seinen knapp 48 Jahren an der Macht sei ihm 638 Mal nach dem Leben getrachtet worden. Die große Mehrzahl der Mordversuche habe der US-Geheimdienst CIA ausgeheckt. Für die Kommunisten auf Kuba war die Feindschaft zu den USA und das Wirtschaftsembargo, das Washington kurz nach der Revolution verhängte, willkommener Anlass, alle Missstände im Land zu rechtfertigen. Knappe Energie, schlechte Versorgungslage – Schuld war „El Bloqueo“, die Blockade.

1961 hat Washington die Solidarität mit Kuba unterschätzt

Vieles, aber längst nicht alles, ist daran richtig. Das Embargo, 1996 durch US-Präsident Bill Clinton mit dem Helms-Burton-Gesetz sogar noch dramatisch verschärft, hat Bestand – auch wenn Obamas Realpolitik die Sanktionen immer mehr aufweicht. Der Triumph der Revolutionäre lag noch kein Jahr zurück, da schmiedeten US-Regierung und CIA erste Umsturzpläne. Washington, das rund 80 Prozent der kubanischen Wirtschaft kontrollierte, wollte den entschädigungslosen Enteignungen nicht tatenlos zusehen: Eine von einer internen Opposition unterstütze Invasion sollte die Castros stürzen. Doch die „Invasion in der Schweinebucht“ im April 1961 scheiterte kläglich und bewirkte das Gegenteil: Castro ging aus dem Debakel gestärkt hervor.

Schon damals unterschätzte Washington, dass die überwältigende Mehrheit der Kubaner hinter der Revolution und ihrem charismatischen Führer stand. In Lateinamerika löste das Vorgehen eine Welle der Solidarität mit Kuba aus, und Havanna, das schon 1960 mit Moskau ein Handelsabkommen geschlossen hatte, lehnte sich noch fester an die Schulter des großen Bruders. Moskau nahm dies gerne an, denn ein befreundeter Vorposten im „Hinterhof“ des Erzfeindes war von großem strategischen Nutzen. Und so kam es kaum 18 Monate nach der Schweinebucht zur „Raketen-Krise“, als die Sowjetunion auf Kuba SS-4 Raketen stationieren wollte. Washington und zentrale militärische Einrichtungen lagen plötzlich in Reichweite von sowjetischen Mittelstrecken-Raketen. Im Oktober 1962 hing der Weltfrieden 13 Tage lang am seidenen Faden. Nie stand die Welt näher an einem Nuklearkrieg als in jenem karibischen Herbst. Heute erscheint all dies weit zurück. Was seit Dezember 2014 passiert ist, gleicht dem Mauerfall in Deutschland.

Obama will den kalten Krieg beenden

Obama besucht als erster US-Staatschef seit 1928 Kuba, man eröffnete Botschaften, bald fahren wieder Fähren und fliegen wieder Linienmaschinen. Und seit dieser Woche dürfen die „Cuentapropistas“, jene neuen kubanischen Kleinunternehmer, sogar Bankkonten in den USA eröffnen. Auch Havanna hat Schritte gemacht: Es gibt Reisefreiheit, private Wirtschaft, Internet in öffentlichen Hotspots.

Natürlich bleiben Differenzen: Die US-Basis Guantánamo und das Embargo sind Havannas Agenda mit Washington. Freie Wahlen und mehr Demokratie die der USA mit Havanna. Und was treibt beide Seiten zur Annäherung? Zum einen der gesunde Menschenverstand. Jenseits dessen schielt Kuba auf die Dollars der US-Touristen und die Investitionen der US-Unternehmer, die den wegbrechenden Hauptsponsor Venezuela ersetzen sollen. Und Obama will vor allem eins: Seinen Platz in den Geschichtsbüchern als der Präsident, der den Kalten Krieg in der Karibik beendete.