Bei Merkels Treffen mit Trump prallen politische Welten aufeinander. Beide Seiten wollen einen Showdown allerdings auf jeden Fall vermeiden. Die Kanzerlin hat in ihrer elfjährigen Regierungszeit reichlich Erfahrung im Umgang mit Alphamännern gesammelt.

Stuttgart - Den australischen Premierminister Malcolm Turnbull hat er angepöbelt. Dem japanischen Ministerpräsidenten Shinzo Abe riss er bei der demonstrativ herzlichen Begrüßung fast die Hand ab. Wer mit Donald Trump zusammentrifft, der muss auf Überraschungen gefasst sein. Gut 50 Tage hat es seit dem Amtsantritt des US-Präsidenten gedauert, bis Angela Merkel dieses zweifelhafte Vergnügen nun zuteil wird. Hier die nüchterne, gänzlich uneitle und stets faktenorientierte Naturwissenschaftlerin – dort der impulsive, narzisstische und notorisch faktenresistente Geschäftemacher. Ein größerer Gegensatz ist auch in der Gesellschafts-, Flüchtlings-, Europa- und Handelspolitik kaum denkbar: Die derzeit wichtigste Verteidigerin der westlichen Werte trifft auf den mächtigsten Vertreter eines autoritär-populistischen Nationalismus.

 

Erfahrung im Umgang mit Alphamännern

Im Kanzleramt will man von solchen Zuspitzungen nichts wissen. Beide Seiten wollen einen Showdown unbedingt vermeiden. So könnte der Besuch für die Fernsehkameras durchaus  freundlich verlaufen. Angela Merkel hat in ihrer elfjährigen Regierungszeit reichlich Erfahrung im Umgang mit Alphamännern gesammelt. Und Donald Trump kann in seinen besseren Momenten tatsächlich einen gewissen unkonventionellen Charme entfalten.

Doch die diplomatische Verkleidung sollte nicht zur Selbsttäuschung führen. Die deutsch-amerikanischen Beziehungen befinden sich in einer dramatischen Krise. Dem liberalen deutschen Publikum mag der Twitterfreak im Weißen Haus mit seiner Vorstadt-Tolle und den überlangen Krawatten wie eine Witzfigur vorkommen – bei seinen Hardcore-Fans in den USA hat der vermeintliche Rächer der Globalisierungsverlierer in den ersten Amtswochen nichts an Unterstützung eingebüßt. Solange die amerikanische Konjunktur robust läuft, muss Trump innerparteiliche Kritiker kaum fürchten.

Was Menschen in Stuttgart über Donald Trumps Politik denken, sehen Sie im Video:

Sind Trump die transatlantischen Beziehungen egal?

Es spricht auch wenig für die These, der Milliardär  werde im Amt schon reifen und von Realisten wie Außenminister Rex Tillerson eingehegt. Zwar hat sich Trump zuletzt tatsächlich moderater über die Kanzlerin und die Nato  geäußert, aber seine Auslassungen sind erratisch wie das Washingtoner Wetter. So glaubten selbst kritische US-Kommentatoren in Trumps solider  Kongressrede kürzlich einen „Durchbruch zur Präsidentschaft“ zu erkennen. Am nächsten Morgen aber entfachte Trump ohne jeden Beleg eine Twitter-Tirade gegen seinen „bösen oder kranken“ Vorgänger Barack Obama, der ihn abgehört habe. Die deutsche Politik muss sich also darauf einstellen, dass sie es in den nächsten vier Jahren mit einem unberechenbaren Präsidentendarsteller zu tun hat, der wenig Rücksicht auf seine Partner nimmt und dem die transatlantischen Beziehungen herzlich egal sind.

Detailierter Blick auf den Handschlag

Verpflichtet fühlt sich Trump nur seinen wirtschaftlichen Interessen und seinen Wählern. Deswegen scheint eine Annäherung bei dem für die Exportnation Deutschland zentralen Streitthema, der Handelspolitik,  kaum möglich: Die Bestrafung angeblich unfairer Importe mit Zöllen hat Trump den frustrierten Arbeitern der sterbenden amerikanischen Industrieregionen als Allheilmittel versprochen. Substanzielles ist vom ersten Treffen der beiden Spitzenpolitiker also nicht zu erwarten, denn auch Merkel kann Trump kaum entgegenkommen. Weder kann sie versprechen, dass alle Deutschen demnächst amerikanische Autos kaufen werden, noch kann sie Absprachen ohne oder gar gegen die Europäische Union treffen. Schon gar nicht kann sie von ihren Prinzipien einer liberalen Gesellschaft abweichen. Innenpolitisch würde  Merkel zu viel Harmonie mit dem in ihrer Heimat verachteten US-Präsidenten sogar schaden. Man sollte deshalb genau hinschauen, wie schnell sie bei der Begrüßung ihre Hand wegzieht.