Der Topterrorist habe zwar keine Waffe gehabt, er habe sich aber "auf andere Weise" gewehrt.

Washington/Islamabad - Al-Kaida-Chef Osama bin Laden war nach Angaben des Weißen Hauses nicht bewaffnet, als er von einer US-Spezialeinheit getötet wurde. Er habe sich aber auf andere Weise gewehrt, sagte Sprecher Jay Carney am Dienstag, ohne Einzelheiten zu nennen.

 

Über den Einsatz des Spezialkommandos sei Pakistan nicht vorab informiert gewesen, erklärte CIA-Chef Leon Panetta in einem Interview mit dem Magazin "Time". "Man hat entschieden, dass alle Versuche einer Zusammenarbeit mit den Pakistanern die Mission gefährden könnten." Die USA hätten befürchtet, dass "sie die Ziele alarmieren könnten".

Ahnte Pakistan wirklich nichts?

Pakistans Präsident Asif Ali Zardari versicherte hingegen, eine "ein Jahrzehnt andauernde Kooperation und Partnerschaft zwischen den Vereinigten Staaten und Pakistan" habe zur Tötung des Terroristen-Chefs geführt. Die Kommandoaktion sei allerdings "keine gemeinsame Operation" amerikanischer und pakistanischer Sicherheitskräfte gewesen, schrieb er in einem Beitrag in der "Washington Post". Zugleich gab Zardari zu, Bin Laden sei an einem Ort gefunden worden, wo man ihn nicht vermutet habe. Sicherheitsexperten bezweifeln, dass sich Bin Laden in Pakistan ohne Wissen von Geheimdiensten und anderen Behörden des Landes aufhalten konnte.

Ein US-Spezialkommando hatte ihn in der Nacht zum Montag in einem stattlichen Anwesen in der pakistanischen Garnisonsstadt Abbottabad erschossen, in dem er - wie ein hochrangiger Anti-Terror-Berater von US-Präsident Barack Obama am Dienstag sagte - "5 bis 6 Jahre" unbehelligt gelebt hatte.

"Die pakistanische Regierung wusste immer, dass er da ist, aber wollte das vertuschen", sagte Afghanistans Ex-Handelsminister Mohammad Amin Farhang dem Deutschlandfunk. Sein hochgesichertes Versteck im ruhigen Abbottabad beweise, dass Pakistan Top-Terroristen Unterschlupf gewähre.


Unterdessen werden immer mehr Details der Kommandoaktion mit dem Decknamen "Geronimo" bekannt. Obama verfolgte sie voller Anspannung per Satellitenübertragung live im "Situation Room" des Weißen Hauses. Dann die Erlösung: "Wir haben ihn", rief der US-Präsident aus.

Nun hoffen die USA auf neue Erkenntnisse über die Pläne von Bin Ladens Terrornetzwerk. Denn beim Sturm auf sein Anwesen stellten Soldaten einen Computer und mehrere Festplatten sicher. Damit sei ihnen ein wahrer Schatz an Informationen in die Hände gefallen, der nun ausgewertet werde, berichtete das US-Onlinemedium "Politico".

De Maizière: Terrorgefahr unverändert hoch

Nach Einschätzung von Sicherheitsexperten ist die Terrorgefahr auch nach dem Ende des meistgesuchten Mannes der Welt weiter hoch. Anlass zur Besorgnis etwa vor dem Hintergrund möglicher Racheaktionen sehen die deutschen Behörden aber nicht. "Befürchtungen, dass jetzt die Lage irgendwie schlimmer wird, teile ich ausdrücklich nicht", sagte Verteidigungsminister Thomas de Maizière (CDU). Für US-Einrichtungen in Deutschland wurden die Sicherheitsvorkehrung vereinzelt hochgefahren.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) rechnet damit, dass die Terrorgefahr mittelfristig eher sinkt. "Natürlich müssen wir wachsam bleiben und uns auch darauf einstellen, dass es Gegenreaktionen gibt", sagte er in Berlin. "Aber ich denke, unterm Strich ist es eine Vergrößerung der Sicherheit, wenn ein solcher Terrorist sein Handwerk nicht fortsetzen kann."

Für eine Änderung ihrer Afghanistan-Strategie sieht die Bundesregierung keinen Grund. "Wir sind ja nicht nach Afghanistan gegangen, um einen bestimmten Terroristen auszuschalten, sondern weil wir nicht länger zulassen wollten, dass Afghanistan das Rückzugsgebiet für den Weltterrorismus ist", sagte Westerwelle. Auch de Maizière betonte, am Zeitplan für den Bundeswehr-Einsatz am Hindukusch ändere sich nichts.


Für Aufsehen sorgte die Festnahme von fünf Terrorverdächtigen in der Nähe der britischen Atomanlage Sellafield. Allerdings gab es zunächst keine Hinweise auf eine Verbindung zu Al-Kaida.

Nach einem Bericht des "Wall Street Journal" war sich der US-Geheimdienst CIA bis zuletzt keinesfalls sicher, dass Bin Laden tatsächlich in Abbottabad lebte. Einige Analysten hätten die Wahrscheinlichkeit mit 60 Prozent angegeben, andere mit 80 Prozent. CIA-Chef Panetta habe die Ungewissheit zu schaffen gemacht. Dann sei er aber davon ausgegangen, dass die US-Öffentlichkeit selbst bei einer 50-prozentigen Chance hinter der Aktion stehen würde.

Werden Fotos der Leiche freigegeben?

Das Weiße Haus hatte am Dienstag noch nicht entschieden, ob Fotos von der Leiche des Terroristenchefs Osama bin Laden veröffentlicht werden sollen. Sprecher Jay Carney sagte, die Bilder seien zweifellos "grausig". Vor diesem Hintergrund werde geprüft, ob es nötig sei, sie zu veröffentlichen. Bin Laden soll zwei Mal in den Kopf getroffen worden sein, einmal direkt über dem linken Auge. Wie es in Medienberichten hieß, "explodierte sein Kopf".

Skeptiker in der US-Regierung hätten argumentiert, dass die Aufnahmen "zu grausig" seien, um sie freizugeben. Befürworter meinten hingegen, die Veröffentlichung sei nötig, um Zweifel auszuräumen, dass der Al-Kaida-Chef tatsächlich tot sei.

Obama will am Donnerstag Ground Zero in New York besuchen. Dort, wo am 11. September 2001 Al-Kaida-Terroristen zwei Flugzeuge in die Zwillingstürme des World Trade Center steuerten, will er sich mit Angehörigen der Opfer treffen.