Der Republikaner Mitt Romney will einen harmonischen Parteitag feiern. Dann kommt der Sturm, und am Ende ringt der Präsidentschaftskandidat mit den Radikalen in seiner Partei.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Tampa - Die Basketballarena im Norden von Tampa ist ein Hexenkessel. Auf der Bühne wabert künstlicher Rauch. Harte Rockmusik dröhnt in die große, mehr als zehntausend Zuschauer fassende Halle. „Wacht auf, wacht auf“ – dieser betäubende Refrain dröhnt aus riesigen Lautsprechern. Die Republikaner, die hier ihr Idol bejubeln, sind euphorisiert bis in die Haarspitzen. „Wir sind die Zukunft“, so lautet das Motto des politischen Feldgottesdienstes. Es gibt aus Sicht der republikanischen Parteiführung nur ein kleines Problem: Der Mann, der hier hemmungslos bejubelt wird, heißt nicht Mitt Romney. Es ist der als Präsidentschaftskandidat schon lange geschlagene, radikalliberale texanische Kongressabgeordnete Ron Paul. Der Sturm Isaac, dessen Ausläufer am Montag und Dienstag den so perfekt geplanten republikanischen Nominierungsparteitag erst einmal lahmgelegt haben, hat Paul sozusagen die Bühne freigeweht.

 

Hier ist zu besichtigen, wo der am Donnerstag dieser Woche zur Kandidatenkrönung anstehende Mitt Romney seine weichen Flanken hat. „Wer von euch ist unter 50, ein Latino, ein ehemaliger Demokrat oder ein Unabhängiger“, fragt der Einpeitscher, der schon in seinen Begrüßungssätzen das republikanische Parteiestablishment abgewatscht hat. Fast alle auf den Rängen stehen auf. Es sind genau diese wahlentscheidenden Wählergruppen, in denen Romney laut Umfragen schwächelt.

Ron Paul könnte die Parteitagsregie durcheinander bringen

„Sie sollten uns eigentlich bitten und anflehen, in die Partei zu kommen“, sagt Paul, „wir verbreiten die Sache der Freiheit und den Geist der Revolution.“ In einem Werbespot in den Redepausen werden die US-Notenbank, die Steuerbehörde sowie die Ministerien für Inneres, Erziehung und Handel mit einem Knall einfach weggesprengt. Paul will zurück zum Goldstandard, die Einkommensteuer abschaffen, Drogen legalisieren und alle US-Truppen auf der Welt sofort nach Hause holen. Vereinte Nationen, Internationaler Währungsfonds und Weltbank sollen in den Orkus. „Jeder sollte auch das Recht haben Rohmilch zu trinken und sich alle Nahrungsmittelzusätze zu besorgen, die er haben will“, sagt der Arzt aus Texas in seiner durch die Themen mäandernden Rede.

Er steht sicherlich nicht für die Mitte der Partei – zu radikal, manchmal abstrus sind seine Ideen. Aber er stillt den Hunger einer wachsenden Minderheit der Amerikaner nach einer politischen Revolution. Die Politikverdrossenheit in den USA ist so groß wie nie. Radikale Ideologen wie Paul, die einst als Außenseiter galten, finden wachsende Gefolgschaft. Dass auch der einst als „Pizza-Kandidat“ belächelte schwarze Republikaner und Ex-Präsidentschaftsbewerber Herman Cain sich vor dem offiziellen Programm noch einmal ins Rampenlicht stellt, passt ins Bild. Die Republikaner wollen sich aber nach ihrem langen und schmerzlichen Vorwahlkampf um jeden Preis als geeinte Partei präsentieren. Mit juristischen Tricks wurden Paul deshalb einige seiner in den Vorwahlen errungenen 177 Delegierten in letzter Minute entzogen – vor allem um einen formalen Anspruch auf ein Rederecht zu verhindern, bei dem der radikale Prinzipienpolitiker den schwammigen Pragmatiker Romney womöglich in ungünstigem Licht hätte erscheinen lassen. Paul wurde Redezeit unter der Bedingung angeboten, dass er vorher sein Manuskript von der Parteiführung prüfen lässt – was der Texaner ablehnte.

Als Spielwiese für die Radikalen dient eine am Dienstag anstehende Abstimmung über ein neues Parteiprogramm, in dem die Parteiführung auch harte Formulierungen durchgehen ließ. Vom totalen Verbot der Abtreibung selbst nach Vergewaltigungen bis zur Verdoppelung des Grenzaunes zu Mexiko ist darin alles enthalten, was konservative Herzen höher schlagen lässt. „Wenn man das Programm insgesamt betrachtet, lässt es die republikanische Partei zornig, nach innen gerichtet und nicht nur ein bisschen paranoid erscheinen“, schreibt die „Washington Post“.

Der Sturm gilt als böses Omen

Die radikalen Töne sollen dann für die breite Öffentlichkeit durch kämpferische Kritik gegen US-Präsident Obama gleich übertüncht werden. Doch nicht nur rebellische Parteifreunde, sondern auch die Kräfte der Natur haben den akribischen Manager und Perfektionisten Romney in die Schranken gewiesen. Tampa mag vom Tropensturm Isaac weitgehend ausgespart werden. Doch fast zum Jahrestag des Hurrikans Katrina, der das Image des republikanischen Präsidenten George W. Bush ruinierte, rollt zum zweiten Mal hintereinander bei einem republikanischen Nominierungsparteitag wieder ein Hurrikan auf New Orleans zu. Schon 2008 kürzten die Republikaner wegen eines Sturms ihr Programm. Sie wollten nicht jubeln, während es anderen Amerikanern die Dächer von ihren Häusern wehte. Am Ende verlor ihr Kandidat John McCain die Wahl.