Kreml-Chef Wladimir Putin verzichtet auf eine Ausweisung von US-Diplomaten. Er hat Barack Obama als Präsidenten abgeschrieben und setzt auf dessen Nachfolger Donald Trump. Ob daraus eine echte Annäherung resultiert, ist aber offen, meint Matthias Schiermeyer.

Politik: Matthias Schiermeyer (ms)

Stuttgart - Es wäre die Logik des Kalten Kriegs gewesen: Auf eine Strafmaßnahme folgt eine Vergeltungsaktion. So kennt man es aus Zeiten, als es noch den Eisernen Vorhang gab – als sich die Weltmächte USA und Sowjetunion in erbitterter Gegnerschaft gegenüberstanden. Folglich hat es zunächst nicht überrascht, dass Russlands Außenminister Sergej Lawrow die Sanktionen von US-Präsident Barack Obama wegen der Hackerangriffe seinerseits mit der Ausweisung von Diplomaten beantworten wollte. Offenbar wollte er der Weltöffentlichkeit auch kein Bekenntnis liefern, dass Obama die Richtigen trifft.

 

Putin pfeift Lawrow zurück

Präsident Wladimir Putin hat Lawrow zurückgepfiffen – ein einmaliger Vorgang, der dessen bisher unumschränkte Machtposition in Frage stellt. Nun zeigt sich Putin als der Chef-Diplomat und verzichtet auf Gegenmaßnahmen. Das Prinzip von kühl kalkulierter Offensive und vorsichtigem Entgegenkommen ist gewissermaßen sein Erfolgsrezept. Auch in Syrien hat er zunächst den Freiraum genutzt, um seinen Einfluss zu sichern. Und jetzt, da er meint, es sich leisten zu können, bemüht er sich um so etwas wie einen Frieden. Diese Doppelstrategie kann ihm sogar in Westeuropa weitere Sympathien eintragen.

Das Verhältnis von Washington und Moskau ist am Ende der Amtszeit Obamas völlig zerrüttet – der US-Präsident hat den persönlichen Bruch der Staatsführer für alle Welt offensichtlich gemacht. Obama will nichts mehr verschleiern, seine ganze Enttäuschung hat er in diese Sanktionen gepackt. Er musste so entscheiden – die Erkenntnisse seiner Geheimdienste wären nichts wert, wenn er ruhig geblieben wäre. Vielleicht hätte er früher so kategorisch handeln sollen, dann hätte er dem Kreml-Chef weniger Möglichkeiten gelassen, die Grenzen der internationalen Gemeinschaft auszuloten. Die globale Machtarchitektur wäre dann womöglich etwas stabiler.

Obama setzt Trump unter Druck

Doch jetzt hat Putin allen Grund zur Gelassenheit. Denn schon vom 20. Januar an, wenn Donald Trump ins Amt kommt, werden die amerikanisch-russischen Beziehungen neu justiert. Obama hat seinen Nachfolger mit den Sanktionen noch einmal gezielt in die Bredouille gebracht. Würde der Republikaner diese unverzüglich revidieren, könnte er den Nerv seiner Landsleute empfindlich treffen. Es müsste ihr Selbstbewusstsein tangieren, wenn ihr Präsident an dieser Stelle klein bei gibt. Dies würde ihm auch seine eigene Partei den aktuellen Äußerungen zufolge nicht durchgehen lassen. Sollte Trump jedoch die Strafmaßnahmen aufrecht erhalten, könnte dies auch als ein Eingeständnis gewertet werden, dass seine eigene Wahl mit Hilfe russischer Hacker zustande gekommen ist.

Der Kreml-Chef erleichtert Trump nun eine pro-russische Haltung. Resultiert daraus eine Annäherung? Vermutlich folgt Trump weiter seinem eigenen, völlig unberechenbaren Kurs. Da auch Putin Zuverlässigkeit vermissen lässt, fällt eine Prognose, wie sich das amerikanisch-russische Verhältnis entwickeln wird, schwer. Damit auch eine Antwort auf die Frage, was dies für Europa und den Weltfrieden bedeutet.