Die erste Staffel der US-Erfolgsserie „Girls“ ist erstmals im deutschen Free-TV zu sehen. Im Zentrum stehen vier junge New Yorkerinnen, die weitaus weniger glamourös durchs Leben gehen als die Heldinnen von „Sex and the City“.

Stuttgart - Es gibt ein paar Gemeinsamkeiten, vor allem aber gibt es zahllose Unterschiede. Ja, die Serie „Girls“, deren erste Staffel ZDF Neo am Samstag- und Sonntagabend in jeweils zweieinhalbstündigen Blocks zeigt, handelt ebenso wie „Sex and the City“ von vier Freundinnen in New York, die sich auf der Suche nach Liebe, einer erfüllenden Tätigkeit und der eigenen Identität durch den Großstadtdschungel bewegen. Beide Produktionen entstanden beim amerikanischen Kabelkanal HBO. Und beide haben einen irgendwie feministischen Blickwinkel auf die Wirklichkeit.

 

Aber jede Zeit bekommt eben die Serie, die sie verdient, und so werden aus den finanziell ordentlich gepolsterten, fast immer gut gelaunten Single-Ladies aus „Sex and the City“, die von 1998 bis 2004 einen Jubel auslösten, der bis heute nicht abgeebbt ist, in „Girls“ vier leicht melancholische Mittzwanzigerinnen nach der Collegezeit, deren Wünsche sich meist nicht mit ihrer desolaten Wirklichkeit decken.

Die Hauptfigur: verplante Professorentochter und Autorin

Die inzwischen 27-jährige Lena Dunham hat die in den USA mit zahlreichen Preisen ausgezeichnete Dramedy entwickelt, sie hat die Drehbücher geschrieben, teilweise Regie geführt, und sie spielt auch die Hautfigur. Hannah Horvath ist eine etwas verplante Professorentochter und Jungautorin aus der Provinz, die seit zwei Jahren als unbezahlte Praktikantin bei einem Verlag jobbt, und nebenbei an einem Roman schreibt. „Ich will euch nicht erschrecken, aber ich glaube, ich könnte die Stimme meiner Generation werden“, sagt sie zu ihren Eltern, die ihr plötzlich den Geldhahn zudrehen. „Oder zumindest eine Stimme. Von einer Generation“. Denn während die „Sex and the City“-Protagonistin Carrie als schreibende Selfmade-Frau mit ihrer Kolumne im „New York Star“ noch jede Menge Restaurantessen und Schuhe von Manolo Blahnik finanzieren konnte, ist Kreativität im Internetzeitalter zwar irgendwie Pflicht geworden für fast alle, aber für viele nicht mehr sehr einträglich.

Beyoncé singt den Titelsong

Und so kämpfen auch Hannahs Freundinnen Marnie, Jessa und Shoshanna mit den Widrigkeiten der späten Jugend, langweilen sich mit Galeriejob und allzu einfühlsamem Freund, werden bei ausgedehnten Weltreisen ungewollt schwanger oder versuchen vergeblich, ihre Jungfräulichkeit zu verlieren. Sex dient ihnen nicht mehr als eine Möglichkeit der Selbstverwirklichung, sondern gerät zum meist schwierigen Unterfangen, bei dem die Suche nach Intimität häufig mit männlichen Wünschen nach bizarren Praktiken kollidiert. „Du bist auf jeden Fall eine Carrie, mit ein paar Samantha-Aspekten und Charlotte-Haar“, sagt die schüchterne Shoshanna zu der von ihr bewunderten, vordergründig obercoolen Jessa, die gerade mal wieder von einer exotischen Insel heimkehrt. Wie unglaublich gestrig diese Art von Deutungsversuch in einer nicht nur von ökonomischen Krisen geschüttelten Welt längst ist, zeigen viele wenig glamouröse Szenen der Serie, die bezeichnenderweise nicht in Manhattan, sondern im billigeren Brooklyn gedreht wurde, und in der die Klamotten der Darsteller häufig aus dem Second-Hand-Laden stammen.

Besetzt wurden die Rollen mit Schauspielerinnen, die bis auf Allison Williams, welche die Marnie verkörpert, zwar nicht dem derzeit gängigen Schönheitsideal der halbverhungerten Elfe entsprechen, aber einen eigenen Charme haben. Hannah, eine pummelige Brünette zum Beispiel, hat sich tätowieren lassen – mit Illustrationen aus Kinderbüchern. Solche Details erzählen viel über eine ebenso verwöhnte wie gebeutelte Alterskohorte der Mittelschicht, die zumindest teilweise in dem uramerikanischen Glauben großgezogen wurde, einzigartig zu sein, über alle Möglichkeiten zu verfügen und ihre Träume verwirklichen zu können. Stattdessen scheint ihr nun fast nichts mehr sicherer als eine große Unsicherheit.

Lena Dunham, die aus einer protestantisch-jüdischen Künstlerfamilie stammt, im New Yorker Stadtteil Soho aufwuchs und früh zu schreiben begann, spielt souverän und selbstironisch mit diesen Gegebenheiten und stellt sie auf den Kopf. „Ihr habt mit mir noch Glück. Ich könnte ja auch drogenabhängig sein“, lässt sie ihre Hannah zu den auf festen Universitätsposten sitzenden Eltern sagen – vor allem die Mutter verlangt es mehr nach einem Haus am See als nach weiterer Unterstützung der Tochter. Den überaus passenden Titelsong zu diesen klugen, dunklen Geschichten singt Beyoncé: „Girls (Who run the world)“.