François Hollande sagt, die US-Spionage gegen französische Präsidenten sei inakzeptabel. Doch seine Empörung über Washingtons Geheimdienstaktivitäten ist unglaubwürdig, kommentiert der StZ-Korrespondent Stefan Brändle.

Korrespondenten: Stefan Brändle (brä)

Stuttgart - Was sich Barack Obama und François Hollande am Telefon gesagt haben, wird wohl nie bekannt werden. Aber es darf angenommen werden, dass der französische Präsident über amerikanische Abhöraktionen weniger empört war, als er nach außen glauben macht. Er weiß genau, dass er letztlich ebenso handelt wie sein US-Kollege: Frankreichs neues Sicherheitsgesetz beispielsweise ermöglicht eine Massenüberwachung wie durch die amerikanische NSA. Die fünf ständigen Mitglieder des Uno-Sicherheitsrates betreiben mit ihren Geheimdiensten nicht nur Abwehr, sondern proaktive Spionage. Frei nach dem Motto: Wissen ist Macht. Wenn Staaten keine Freunde, sondern nur Interessen haben, wirkt auch die Pariser Empörung über den Verrat des Verbündeten aufgesetzt. Paris verrät ja auch seine afrikanischen Freunde, die es für seine amerikanischen Geheimdienstpartner ausspioniert. Und der deutsche BND hört sich bei den Freunden in Frankreich um, damit die NSA wiederum ihn mit Daten versorgt.

 

Von einer Regierung wie der französischen zu erwarten, dass sie in Washington viel erreicht in Sachen Datenschutz, wäre deshalb illusorisch. Wirksamer Druck auf die Großmächte und ihre bürgerfeindlichen Praktiken kann heute nur von unten kommen – gerade auch mit Hilfe von Enthüllungsplattformen wie Wikileaks.