Der Showdown der Vizepräsidentschaftskandidaten J.D. Vance und Tim Walz in Manhattan verlief überraschend zivil. Das Duell auf CBS dürfte bald vergessen sein.
J.D. Vance kam in der Debatte der Running Mates als aalglatter Verkäufer rüber. Wer nichts von dem Wahlkampf mitbekommen hat, konnte den Eindruck gewinnen, es mit einem typischen Politiker zu tun zu haben. Ein ehrgeiziger Karrierist, der seine Zuhörer ohne Punkt und Komma zutextete. Aber der darauf verzichtete, Tim Walz persönlich anzugreifen.
Es ging für den Unsympath darum, sein negatives Image vor einem Millionenpublikum aufzumöbeln. Und in Worte zu fassen, was der 78-jährige Donald Trump nicht mehr kohärent vermitteln kann. Gemessen an dem Standard machte Vance für 85 Minuten einen guten Job. Er sagte in der Sache wenig anderes als Donald Trump, aber wählte einen moderateren Ton.
Vance kommt zu leicht davon
Die schwachen Moderatorinnen der CBS-Debatte und Walz ließen Vance viel zu oft mit seinen Lügen und Nichtantworten davonkommen. Er behauptete, nie ein nationales Abtreibungsverbot unterstützt zu haben. Das Gegenteil davon ist richtig. Inklusive einer Strafandrohung für Frauen aus Bundesstaaten mit einem Abtreibungsbann, die für einen Schwangerschaftsabbruch in einen anderen reisen.
Vance stilisierte Trump zum Retter von Obamacare, obwohl er 60 Mal versucht hatte, die von Barack Obama eingeführte Krankenversicherung abzuschaffen. Der Republikaner wich seiner früheren Einschätzung aus, dass Trump Amerikas Hitler sei. Er ließ offen, wie die angekündigte Massendeportation von Millionen Einwanderern ohne Papiere konkret durchgeführt werden soll. Zumal darunter Menschen sind, die oft seit Jahrzehnten in den USA leben, und deren Kinder dort zur Welt kamen. Keine Antwort gab es auch auf die Frage, ob er den Klimawandel wie Trump für einen „Schwindel“ hält.
Wer hat die Wahl 2020 gewonnen?
Die sorgfältig aufgebaute Scharade des „Mr. Nice Guy“ brach wie ein Streichholzhaus zusammen, als ihn Walz nach dem Ausgang der Wahlen 2020 fragte. Vance dürfte der erste Vizepräsidentschaftskandidat in der Geschichte sein, der nicht sagen konnte, wer die letzten Wahlen gewonnen hat. Aber er bekräftigte, dass er das Gegenteil von Mike Pence getan hätte, den Trumps Anhänger am 6. Januar 2021 hängen wollten: Die Wahlergebnisse nicht zu zertifizieren.
Anschließend verstieg er sich zu der Aussage, dass nicht Trump mit seinem Coup-Versuch die Demokratie gefährdet hat, sondern die Demokraten. Sein Beleg? Der Ex-Präsident hat das Amt freiwillig geräumt. Großzügig übersah er die mehr als 140 verletzten Polizisten und Toten des Aufstands, das Festhalten Trumps an der großen Lüge von den gestohlenen Wahlen und seine Abwesenheit am Tag der Amtsübergabe im Weißen Haus.
In diesen Minuten vor dem Schluss-Statement disqualifizierte Vance sich für das Amt, das nur einen Herzschlag vom Oval Office entfernt ist. Walz hatte an einer Stelle Mühe, eine Diskrepanz in seiner Erinnerung über den Zeitpunkt eines Aufenthalts in Hongkong zu erklären und wirkte insgesamt nervöser.
Mikrofon wird abgedreht
Die „kinderlosen Katzendamen“ ließ er ganz aus, wie seine Kritik an der Hetze Vance gegen „illegale Einwanderer“ aus Haiti, die in Springfield, Ohio angeblich die Haustiere der Einheimischen aufessen, der Biss fehlte. Dafür zog Walz ein Gesicht, als hätte Vance seinen Hund verspeist. Es lag an einer der beiden Moderatorinnen, Vance zu korrigieren. Dessen Beschwerde über den „Fakten-Check“ führte dazu, dass ihm CBS das Mikrofon abdrehte.
Dass die beiden Kandidaten in den Blitzumfragen von CBS und CNN praktisch gleichauf lagen, lässt vermuten, dass die insgesamt zähe Debatte in dem knappen Rennen nicht viel bewegt hat. Das ist gut für Walz, dessen Aufgabe darin bestand, sein Image als Dad aus dem Mittleren Westen unbeschadet durch die Debatte zu bringen. Aber es hilft auch Vance, der sich als Demagoge mit Gehirn profilierte.