High-School-Absolventen in den USA würden am liebsten nach Yale oder Harvard gehen. Aber ist eine Top-Uni wirklich so wichtig für Studienerfolg. Kritiker bezweifeln das.

New York - Wenn Jennifer Berman über den kommenden Sommer nachdenkt, dann wird sie nervös. Der Gedanke daran, wie sie die Zeit zwischen Juli und September verbringen soll, versetzt die 16-Jährige in Panik. Soll sie sich als Freiwillige bei einer sozialen Organisation melden, die Kinder im Ghetto betreut? Soll sie ein Praktikum bei einem Technologie-Start-up machen? Oder doch lieber einen der vielen Sommerkurse für Highschool-Studenten an der Universität absolvieren?

 

Die Frage erscheint Jennifer aus gutem Grund so wichtig. Um Chancen zu haben, im kommenden Jahr an einem Top-College angenommen zu werden, reicht es für Jugendliche in den USA schon lange nicht mehr, gute Noten zu haben. Die haben die meisten Bewerber für die begehrten Spitzenschulen sowieso. Deshalb zählt, was man neben den schulischen Leistungen sonst noch vorzuweisen hat. Ein Problem übrigens, das mittlerweile auch viele Abiturienten in Deutschland haben.

Der Druck auf Jugendliche wie Jennifer wird noch dadurch erhöht, dass die Zulassung zur „richtigen“ Universität vermeintlich über ihre berufliche Zukunft entscheidet. In diesen Wochen erscheinen die neuesten College-Rankings. Die wichtigste Information auf diesen Ranglisten ist das durchschnittliche Einstiegsgehalt eines Abgängers von der jeweiligen Uni. Und von dieser Summe hängt direkt die Anzahl der Bewerbungen für die jeweilige Uni ab.

Diese Dynamik hat zu einer absurden Verknappung der Studienplätze bei den beliebtesten Hochschulen geführt. Die Annahmezahlen an Top-Universitäten wie Harvard und Yale sind in den vergangenen Jahren unter fünf Prozent gesunken. Selbst mit herausragenden Qualifikationen ist eine Bewerbung an diesen Colleges ein Lotteriespiel geworden.

So behauptete der „New York Times“-Kolumnist Frank Bruni dieser Tage in einer Satire, dass die Universität Stanford in Kalifornien sich dazu entschlossen habe, in diesem Jahr gar keine Bewerber anzunehmen. „Es war kein Olympiasieger dabei, und die 17-jährige Chirurgin hatte keine besonders komplizierten Operationen vorzuweisen“, witzelte Bruni. Mit diesem drastischen Schritt habe sich Stanford in diesem Jahr klar den Vorsprung vor der Konkurrenz gesichert.

Die Satire war freilich nur leicht überzogen. Da niedrige Annahmeraten das Prestige der Colleges steigern, betreiben viele Hochschulen eine aktive Verknappung ihres Angebots. Dazu gehört ein aggressives Marketing. Die formalen Bewerbungskriterien werden erleichtert, Schüler von exklusiven Highschools werden mit Einladungen zu Campus-Besuchen umgarnt. Das Ganze ist jedoch ein zynisches Spiel: „Oft wird hier die Bewerbungszahl nur nach oben getrieben, um die Akzeptanzrate zu senken“, so Frank Bruni in der „New York Times“.

Bruni ist einer der lautstärksten unter der wachsenden Anzahl der Kritiker dieses Systems. In seinen Bildungskolumnen versucht er immer wieder darauf hinzuweisen, dass die Annahmen, die diesen Auswüchsen zugrunde liegen, vollkommen verkehrt sind.

So weißt Bruni darauf hin, dass das Einstiegsgehalt der Abgänger einer Schule nicht das Geringste über die Qualität der Ausbildung dort aussagt. „Es ist eine klassische Verwechslung von Korrelation und Kausalität.“ Die Einstiegsgehälter von Harvard-Absolventen seien so hoch, weil die Studenten dort handverlesen seien und zudem mehrheitlich aus gehobenen Verhältnissen kommen. Das erleichtere den Berufseinstieg mehr als jede Note.

Bruni und seine Mitstreiter plädieren deshalb für einen Mentalitätswandel. In seinem Buch „Where you go is not who you’ll be“ („Wo du auf das College gehst, bestimmt nicht, wer du bist“) versucht Bruni, Eltern und Schüler dazu zu bringen, das College nicht nach Ranking, Prestige und Einstiegsgehalt auszusuchen, sondern danach, ob es zu einem passt und was man dort lernen kann – innerhalb und außerhalb des Klassenzimmers.

Um sein Argument zu untermauern, zitiert Bruni viele erfolgreiche Amerikaner, die nicht auf ein Spitzen-College gegangen sind, wie die ehemalige Außenministerin Condoleezza Rice oder CNN-Korrespondentin Christiane Amanpour. Außerdem versucht er seine Leser dazu zu bringen, Glück und Erfolg nicht alleine in Dollars zu bemessen. Das mag manche überzeugen. Die breite Mehrheit der Amerikaner tut sich mit solchen Vorstellungen jedoch eher schwer.