Der Iran ist wirtschaftlich angeschlagen, am Machtwechsel in Washington aber demonstrativ desinteressiert.

Iran - Ali Khamenei gab sich gelassen. Der Ausgang der amerikanischen Präsidentenwahl habe keine Auswirkung auf die Politik Teherans, beteuerte Irans Revolutionsführer. Sein Land verfolge eine genau kalkulierte Politik, die nicht durch einen Wechsel des Personals in Washington beeinflusst werde. Das demonstrative Desinteresse jedoch täuscht. Iran steckt in der tiefsten Wirtschaftskrise seit Jahren, Arbeitslosigkeit und Inflation grassieren.

 

Die Corona-Pandemie droht völlig außer Kontrolle zu geraten, auch wichtige Medikamente sind kaum noch zu kriegen. Diese Umstände könnten dem Regime gefährlich werden, wenn sich die Frustration der Bevölkerung - wie vor einem Jahr im November 2019 - erneut in landesweiten Unruhen entlädt. Doch die Tage von Donald Trump und seiner Strategie des „maximalen Drucks“ sind gezählt, auch wenn er bis zum Machtwechsel im Januar noch Woche für Woche neue Sanktionen nachlegen will. Mit engsten Vertrauten diskutierte der scheidende US-Präsident nach einem Bericht der „New York Times“ kürzlich sogar Möglichkeiten, doch noch Irans Atomanlagen zu bombardieren. Vizepräsident Mike Pence, Außenminister Mike Pompeo und Generalstabschef Mark Milley jedoch rieten ab, berichtete das Blatt, weil dies „zu einem breiteren Konflikt eskalieren“ könne.

Vorsichtiger Optimismus

Nachfolger Joe Biden dagegen versprach, Teheran „einen glaubwürdigen Weg zurück zur Diplomatie“ anzubieten, ein Signal, auf das Irans Präsident Hassan Rowhani mit vorsichtigem Optimismus reagierte. Er forderte den neuen Mann im Weißen Haus auf, die Fehler der Vergangenheit zu korrigieren und das Atomabkommen zu reaktivieren. Doch so einfach wird der designierte US-Präsident nicht zu dem alten Zustand zurückkehren, zumal er die Atomfrage mit „Teherans unheilvolles Benehmen in der Region“ verknüpfen will. Denn Donald Trumps rabiate Konfrontation zeigt einen Nebeneffekt, den Bidens Politikplaner – wie auch die Europäer – begrüßen. Sie schwächt die schiitischen Milizen, die als iranische Statthalter im Libanon, Syrien und Irak die Staatsautorität dieser Nationen immer stärker aushöhlen. Gleichzeitig ist vom Atomvertrag kaum noch etwas übrig.

Nach dem US-Ausstieg im Mai 2018 suspendierte auch Teheran seine Verpflichtungen. Wie die Internationale Atomenergiebehörde (IAEO) ermittelte, verfügt der Iran derzeit wieder über 3600 Kilogramm leicht angereichertes Uran - zwölfmal mehr als erlaubt, wenn auch deutlich weniger als die 11.500 Kilogramm vor Vertragsschluss 2015. Die Zahl der Hochleistungszentrifugen in der Anreicherungsanlage Natanz übersteigt ebenfalls die vereinbarte Obergrenze. Obendrein sind neue Zweifel aufgetaucht: IAEO-Inspektoren fanden Uranspuren in einer Werkshalle in Teheran, die nicht als Atomanlage deklariert ist. Die Erklärungen Irans nannten die Wiener Kontrolleure „technisch nicht glaubwürdig“.