Unionsfraktionsvize Jens Spahn besucht den Parteitag der Republikaner in Milwaukee. Im Gespräch schildert er seine Eindrücke.

Berlin: Tobias Heimbach (toh)

Nicht erst seit dem Anschlag auf Donald Trump schaut die Welt mit Spannung auf den Präsidentschaftswahlkampf in den USA. Auch für Deutschland hätte ein Wahlsieg des Republikaners gravierende Auswirkungen. Doch wie positioniert sich seine Partei auf dem Parteitag in Milwaukee? Und ist Deutschland auf einen Wahlsieg Trumps vorbereitet? Jens Spahn (CDU), stellvertretender Vorsitzender der Unionsfraktion im Bundestag, besucht den Parteitag der Republikaner und sprach mit unserer Redaktion über seine Eindrücke.

 

Herr Spahn, beim Parteitag ist Donald Trump nach dem Attentatsversuch erstmals wieder öffentlich aufgetreten. Wie haben Sie ihn erlebt und wie erleben Sie die Stimmung auf dem Parteitag?

Es war für die Menschen hier ein besonderer Moment, als Donald Trump auf die Bühne getreten ist. Die Erleichterung im Saal darüber, dass er lebt, war greifbar. Er hat auf mich einen nachdenklichen und erschöpften Eindruck gemacht. Seine große Rede ist ja erst für Donnerstag geplant. Die Stimmung beim Parteitag war geprägt von Entschlossenheit – und von Siegesgewissheit.

Man darf bei einem Wahlsieg von Joe Biden eine Kontinuität der amerikanischen Politik erwarten. Ganz anders bei einem Sieg Trumps. Haben Sie das Gefühl, Deutschland ist gut auf diesen Fall vorbereitet?

Mein Eindruck ist: Deutschland ist überhaupt nicht auf einen Wahlsieg Donald Trumps vorbereitet. Es ist wichtig, frühzeitig Kontakte zu knüpfen, doch die Ampel vernachlässigt das aus meiner Sicht. Sie wollen offenbar nicht mit Republikanern gesehen werden. Ich verstehe auch nicht, warum Olaf Scholz Trump nach dem Attentat nicht angerufen hat, wie es andere Regierungschefs getan haben. Es ist doch bekannt, wie wichtig Trump diese persönliche Ebene ist.

In welchen Bereichen finden Sie Gemeinsamkeiten mit Trumps Republikanern?

Trump irritiert auch mich mit seiner Wortwahl, seiner Unverfrorenheit und seiner Art. Aber es gibt durchaus Punkte, die er seit Jahrzehnten anspricht – und die mit deutschen Interessen übereinstimmen. Dazu zählt: Eindämmung Chinas, die Forderung, dass Europa mehr für die eigene Sicherheit tun muss, ein harter Kurs gegenüber dem Iran und Nordkorea, die Nicht-Verbreitung von Atomwaffen. Es gibt also Punkte, wo man anknüpfen kann. Die Bundesregierung müsste sich schon jetzt mit europäischen Partnern abstimmen, um dann auf Trump zugehen, sollte er die Wahl gewinnen. Nur darauf zu warten, was passiert, ist nicht ratsam.

Eine der Sorgen vieler Europäer ist, dass die USA unter Trump die Hilfe für die Ukraine einstellen. Welche Rückmeldung bekommen Sie bei dem Thema von Republikanern vor Ort?

Es gibt hier immer noch großes Unverständnis darüber, dass die Europäer nicht selbst für ihre Sicherheit sorgen – und das kann ich durchaus nachvollziehen. Die Erwartung hier in Milwaukee ist klar, dass Trump schnell Friedensgespräche führen will und dass er Putin und Selenskyj an einen Tisch bringen will. Ob das gelingt, weiß ich nicht – aber Deutschland sollte sich darauf vorbereiten, damit wir Handelnde und nicht nur Zuschauer sind.

Wie sollte sich Deutschland beim Thema Sicherheit aufstellen?

Ich glaube, viele Menschen in Deutschland haben eines noch nicht verstanden: Ohne die USA ist die deutsche Sicherheit derzeit nicht garantiert. Wir brauchen sie mehr als umgekehrt. Deshalb muss eine Bundesregierung mit jedem amerikanischen Präsidenten möglichst gut auskommen. Aber Olaf Scholz bezieht im Wahlkampf klar Stellung für Joe Biden. Bei einer Wahl, die so offen ist, ist das nicht im Interesse Deutschlands. Hier in den USA gibt es auch ein gewisses Unverständnis. Es kam häufig der Vorwurf: Ihr hattet doch bis in die 1990er ein starkes Militär und ihr habt doch die wirtschaftliche Stärke – warum tut ihr nicht mehr für eure Verteidigung?

Welches Zeichen sollte man an die USA senden?

Das Zwei-Prozent-Ziel der Nato muss für die nächsten zehn Jahre sicher sein. Mit dem von der Ampel vorgelegten Haushalt ist es das aber nicht. Und das nehmen die Amerikaner sehr genau wahr.