Wann ist das Oberste Gericht gefragt?
Die Wahlen, und auch die Wahlgesetze, sind in den USA Sache der Bundesstaaten. Deswegen gibt es auch zahlreiche unterschiedliche Regelungen. Wenn Donald Trump oder Joe Biden gegen ein Ergebnis oder dessen Zustandekommen vorgehen wollen, müssen sie das zunächst in dem entsprechenden Bundesstaat machen.
Danach ist ein Rechtsmittel zum Supreme Court denkbar, aber nicht in jedem Fall. Anders als in Europa ist die amerikanische Verfassung in vielen Bereichen nicht so klar geregelt. Oft schaut man nach Präzedenzfällen, aus denen sich etwas ableiten lässt. Eine Wahl unter Pandemiebedingungen gab es noch nie. Einen Präsidenten, der so ein flexibles Verhältnis zu Recht und Wahrheit hat wie Donald Trump, auch nicht.
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War der Supreme Court schon tätig?
Ja. Die Wahl ist vorbei, aber die Post ist langsam. Auch die Stimmen all derer, die ihre Briefwahlunterlagen am 3. November in die blauen Kästen der US-Mail geworfen haben, sollen gezählt werden. Pennsylvania hat deswegen entschieden, dass auch Stimmen, die bis zum 6. November eingehen, noch gezählt werden.
In North Carolina hat die Post nicht nur drei, sondern neun Tage Zeit. Dies wollten die Republikaner schon vor dem Wahltag stoppen – und sind zunächst vor Gerichten in den Bundesstaaten und dann vor dem obersten Gericht gescheitert. Allerdings: das war ein Eilverfahren. Das Gericht hat sich vor allem im Fall von Pennsylvania die Option offen gehalten, nach dem Wahltag erneut darüber zu entscheiden.
Steht der Supreme Court hinter Trump?
Das lässt sich so nicht sagen. Konservative Richter haben die Mehrheit, drei der neun Juristen sind von Trump berufen worden.
Das bedeutet aber nicht unbedingt, dass sie immer in seinem Sinne abstimmen werden. Es hat in der Vergangenheit immer wieder Fälle gegeben, in denen sich konservative Juristen auf die Seite der vermeintlich eher liberaleren Kollegen gestellt haben. Aber natürlich hofft Trump, dass die von ihm ernannten Richter auch seine Position vertreten.
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Entscheidet der Supreme Court über die Wahl?
Er entscheidet nicht über das Ergebnis, aber er kann über Dinge entscheiden, die wichtig sind, um zu einem Ergebnis zu gelangen – und dies somit auch beeinflussen. Zum Beispiel über Fristen und darüber, welche Stimmen gezählt werden. In vielen Fällen müssen die Richter aber einen Fall nicht zur Entscheidung annehmen.
Was ist zu erwarten?
Grundsätzlich klären Gerichte in einem Verfahren mehrere Dinge. Zunächst klären sie, ob sie überhaupt zuständig sind, dann geht es um die Zulässigkeit der Klage und schließlich darum, ob die Klage begründet ist. Im juristischen Fachjargon spricht man bei letzterem von der „Begründetheit“. In der Regel gibt es bei den ersten beiden Punkten – also bei der Zuständigkeit des Gerichts und der Zulässigkeit der Klage – keine großen Probleme. Wenn die Öffentlichkeit über einen Fall spricht, dann meist über Fragen der Begründetheit.
Das kann nun anders werden. Es ist möglich, dass auf dem Weg zu einem Urteil von den beteiligten Anwälten unzählige Nebelkerzen gezündet werden und Nebenkriegsschauplätze eröffnet werden. Als im Jahr 2000 die Wahl zwischen George W. Bush und Al Gore wegen der Stimmen in Florida vor Gericht ausgetragen wurden, gab es ein Ping-Pong-Spiel zwischen dem Supreme Court in Washington und dem obersten Gericht Floridas. Insgesamt fällten die Richter in der Hauptstadt binnen weniger Tage drei Urteile.