Die Frau des republikanischen Präsidentschaftskandidaten Mitt Romney offenbart dessen menschliche Seite. Mit den Waffen einer Frau versucht sie Farbe in sein graues Image zu zaubern.

Stadtentwicklung & Infrastruktur: Andreas Geldner (age)

Tampa - Als Ann Romney spät am Abend die Bühne der großen Arena von Tampa betritt, weiß sie, dass jetzt Gefühle zählen – und nicht die Politik. Steif und unnahbar finden viele Amerikaner ihren Ehemann. Wenn es um die persönlichen Sympathiewerte geht, hinkt der republikanische Präsidentschaftskandidat Barack Obama klar hinterher. Seine Frau soll in der ersten großen Rede dieses republikanischen Nominierungsparteitages Farbe in Mitt Romneys graues Image bringen. Das tut sie schon mit dem knallroten Kleid, das sie angeblich entgegen der Wünsche der Imageberater ihres Mannes angezogen hat.

 

Doch es ist harte Arbeit, eine Familie mit einem Vermögen von 200 Millionen Dollar als Amerikaner von nebenan zu präsentieren. „Das ist alles so aufregend“, ruft Romneys Ehefrau etwas überdreht in den Saal. Sie wolle nicht von Politik reden, sondern von der Liebe – und von dem schüchternen Jungen, der vor 47 Jahren auf einem Schulball ihr Herz eroberte. Sie war 15, er 18. Die Heirat folgte vier Jahre später. Die 63-jährige Mutter von fünf Söhnen erzählt von den Anfängen ihres Ehelebens in einer Kellerwohnung in Utah, von ihrem Brustkrebs und ihrer multiplen Sklerose. „Wir haben keine Ehe aus dem Märchenbuch“, sagt sie. Ihr Mann sei nicht der kalte Manager, als den ihn manche sehen würden.

Der Kandidat riskiert nur ein verhuschtes Küsschen

Wenn er nicht darüber erzähle, wie er zeit seines Lebens hilfsbedürftigen Menschen geholfen habe, dann sei das wahre Bescheidenheit: „Er sieht das nicht als Möglichkeit, politische Punkte zu sammeln.“ Doch als Mitt Romney nach der bejubelten Rede kurz die Bühne betritt, riskiert er nur ein verhuschtes Küsschen. Direkt danach zeigt Chris Christie, der bullige Gouverneur von New Jersey und heimliche Wunschkandidat vieler Republikaner, wie man einen Saal zum Kochen bringt.

Die Ehefrau als emotionaler Anker, der Ehemann als Macher. In dieser Konstellation repräsentiert Ann Romney zutiefst konservative Werte. Materielle Sorgen hat sie nie gekannt. Wie ihr Mann stammt sie aus dem Geldadel von Michigan. Ihr Vater gründete eine Firma für Schiffsausrüstungen. Mit vier Wohnsitzen, einigen Cadillacs und einem eigenen Dressurpferd lebt sie in einer Welt, die den meisten Amerikanern fernliegt. Dennoch spielt sie die Rolle der einfühlsamen Frau von nebenan perfekt.

Frau Romney trifft den Geschmack des Publikums

Für zwei Frauen aus Texas, die Ann Romney in Tampa von der Gästetribüne aus anhimmeln, spiegelt sie exakt ihr weibliches Rollenverständnis. „Ich bewundere sie dafür, dass sie für ihre Söhne ihre eigenen Karrierewünsche hintangestellt hat“, sagt Cynthia Jenkins aus Dallas, die für ihren Sohn ebenfalls ihren Beruf an den Nagel gehängt hat: „Dass er gut durch die Schule kommt, ist doch wichtiger als alles andere.“ Und beim Blick auf ihren eigenen Ehemann, kann sie Anns Rolle gut verstehen: „Mein Mann wirkt doch auch auf andere manchmal verschlossen. Dabei ist er nur fokussiert. Als Geschäftsmann muss er das sein.“ Auch Buffie Ingersoll aus Houston, die sich einst als alleinerziehende Mutter durchschlagen musste, blickt bewundernd auf die Welt der Romneys. „Dass Ann nicht arbeiten musste, war doch ein Segen. Wenn ich es mir hätte leisten können, wäre ich doch auch für meine Kinder zu Hause geblieben“, sagt sie.

Ob dies aber wirklich die in den USA zu fast 60 Prozent berufstätigen weiblichen Wähler locken kann, bei denen Barack Obama bisher einen deutlichen Vorsprung hat, ist ungewiss. Ann Romneys Welt könnte im Vergleich zu der von Michelle Obama jedenfalls nicht unterschiedlicher sein. Die Frau des US-Präsidenten musste sich aus einer armen Familie in Chicago zäh nach oben kämpfen. Es brauchte eine Weile, bis sie ihren späteren Ehemann erhörte, der als Praktikant in ein Rechtsanwaltsbüro kam, in dem sie bereits eine wichtige Position innehatte. Sie verdiente zeitweise mehr Geld als Barack Obama. Ann Romney würde auch nie so offen über vergangene Ehekrisen sprechen, wie dies Michelle Obama getan hat. Mitt Romney und sie zeichnen das Bild einer Liebe auf den ersten Blick – und ewiger Treue.

Eiserne Grundsätze der mormonischen Religion

Das Rollenspiel zwischen beiden ist ohne die eisernen Grundsätze ihrer mormonischen Religion nicht zu verstehen. Ann, die erst in der Beziehung mit Mitt zu dieser Religion konvertierte, hat das dort erwartete Lebensmuster perfekt erfüllt: frühe, keusche Liebe, dann unerschütterliche Treue während Mitts Missionsdienst im fernen Frankreich, danach schnelle Heirat und in rascher Folge fünf Söhne. Auch nach ihrer Rede in Tampa bleibt nur die Bilanz: sie hat wieder einmal ihre Pflicht erfüllt.